Rz. 45

Zivilrechtlich wird das Treugut (Sachen, Rechte und Schulden eines einzelkaufmännischen Unternehmens oder Gesellschaftsanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters) zwar aufgrund des Treuhandverhältnisses auf den Treuhänder übertragen, (ertrag)steuerlich wird das Treugut aufgrund der besonderen Zurechnungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO jedoch weiterhin dem Treugeber, also dem oder den Erben als (Sonder-)Betriebsvermögen zugerechnet.[68] Der zivilrechtliche Übertragungsakt als solcher ist also ertragsteuerneutral, führt also nicht etwa zu einem Entstrickungstatbestand. § 6 Abs. 3 EStG braucht nicht mehr geprüft zu werden. Die Begründung einer Vollrechtstreuhand ist somit einkommensteuerlich unproblematisch.

 

Rz. 46

Komplexere Fragestellungen treten aber insbesondere dann auf, wenn aus der gewerblichen Einkunftsquelle Verluste entstanden sind, die der Erblasser noch nicht im Wege eines horizontalen oder vertikalen Verlustausgleichs nutzen konnte. Noch nicht genutzte (gewerbliche) Verlustvorträge werden – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 15a EStG – nach § 10d Abs. 4 S. 1 EStG gesondert festgestellt. Ungeachtet der Begründung einer Innengesellschaft bleiben die Gesellschafter dieser Innengesellschaft Subjekte der Einkünftezurechnung[69] nur mit der Besonderheit, dass der Vollrechtstreuhänder nunmehr ein gewerbliches Unternehmen für Rechnung aller Gesellschafter betreibt bzw. in dieser Eigenschaft einen Anteil als persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft hält.[70] Die Begründung einer Vollrechtstreuhand als solche hat keinen direkten Einfluss auf die einkommensteuerliche Nutzbarkeit von durch den Erblasser ungenutzten Verlustvorträgen. Hier ist auf die umstrittenen Grundsätze zurückzugreifen, wonach der oder die Nachfolger die vom Erblasser noch nicht genutzten Verluste nicht im Rahmen ihrer eigenen Einkünfteermittlung geltend machen können.[71]

[68] Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 205; Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749.
[69] Schmidt/Wacker, EStG, § 15, Rn 250.
[70] Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 180.
[71] Schmidt/Heinicke, EStG, § 10d Rn 14; BFH, Beschl. v. 17.12.2007, GrS 2/2004, ZEV 2008, 199: Danach kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht (mehr) bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen. Die bisher gegenteilige Rechtsprechung des BFH ist jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin in allen Erbfällen anzuwenden, die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung des BFH-Beschlusses eingetreten sind; Tipke/Lang/Hey, Steuerrecht, Kap. 8.63.

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