Rz. 37

Kommt es nach dem Beweisverfahren zum Hauptsacheverfahren oder kommt es während des Hauptsacheverfahrens zu einem selbstständigen Beweisverfahren, so sind die Verfahrensgebühren nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV aufeinander anzurechnen. Dabei ist es dem Anwalt unbenommen, ob er die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die des Rechtsstreits anrechnet (§ 15a Abs. 1 RVG) oder umgekehrt (siehe unten Rdn 54). Die gegenteilige Auffassung des OLG Frankfurt[7] ist falsch und widerspricht dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 RVG. In den nachfolgenden Fällen wird der Übersichtlichkeit halber immer chronologisch angerechnet. Eine umgekehrte Anrechnung ist aber ebenso möglich (§ 15a Abs. 1 RVG). Siehe dazu insbesondere Rdn 54.

 

Beispiel 16: Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren

Der Anwalt führt ein Beweisverfahren über Baumängel in Höhe von 30.000,00 EUR. Es ergeht ein schriftliches Gutachten. Anschließend kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

In beiden Verfahren entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Die 1,3-Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens ist auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen.

 
I. Selbstständiges Beweisverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.261,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   239,69 EUR
Gesamt   1.501,19 EUR
II. Hauptsacheverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen,   – 1.241,50 EUR
  1,3 aus 30.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.166,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   221,54 EUR
Gesamt   1.387,54 EUR
 

Rz. 38

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, so ist die erhöhte Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die erhöhte Gebühr des Rechtsstreits anzurechnen, da die Erhöhung nach Nr. 1008 VV keine selbstständige Gebühr ist.[8]

 

Beispiel 17: Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren, mehrere Auftraggeber

Der Anwalt führt ein Beweisverfahren über Baumängel in Höhe von 30.000,00 EUR für zwei Auftraggeber. Es ergeht ein schriftliches Gutachten. Anschließend kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

In beiden Verfahren entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Die 1,3-Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens ist auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen.

 
I. Selbstständiges Beweisverfahren
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV   1.528,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.548,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   294,12 EUR
Gesamt   1.842,12 EUR
II. Hauptsacheverfahren
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV   1.528,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen,   – 1.528,00 EUR
  1,6 aus 30.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.166,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   221,54 EUR
Gesamt   1.387,54 EUR
 

Rz. 39

Ausgeschlossen ist die Anrechnung, wenn zwischen Abschluss des Beweisverfahrens und Einleitung des Hauptsacheverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen (§ 15 Abs. 5 S. 2 RVG).[9]

 

Beispiel 18: Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren nach Ablauf von zwei Kalenderjahren

Der Anwalt hatte ein Beweisverfahren über Baumängel in Höhe von 30.000,00 EUR eingeleitet. Es ist ein schriftliches Gutachten ergangen. Das Beweisverfahren endete im Dezember 2018. Anschließend haben die Parteien über die Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten verhandelt. Im Februar 2021 ist das Hauptsacheverfahren eingeleitet worden, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

Eine Anrechnung ist jetzt ausgeschlossen. Allerdings ist im Beweisverfahren gem. § 60 Abs. 1 RVG noch nach altem Recht abzurechnen.

 
I. Selbstständiges Beweisverfahren (altes Recht)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100 VV   1.121,90 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.141,90 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   216,96 EUR
Gesamt   1.358,86 EUR
II. Hauptsacheverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.407,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   457,43 EUR
Gesamt   2.864,93 EUR
 

Rz. 40

Anzurechnen ist auch, wenn im Beweisverfahren nur die ermäßigte Gebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV angefallen ist.

 

Beispiel 19: Vorzeitig erledigtes Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren

Der An...

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