Rz. 49

Hintergrund dieser Regelung ist der Betroffene, der "auf einen Schlag" 14 oder 18 Punkte erreicht oder überschritten hat, ohne dass die Maßnahmen des Punktsystems wirksam werden konnten.[60] Denn die relativ strenge Folge der Fiktion der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen und des Entzugs der FE beim Erreichen bzw. Überschreiten von 18 Punkten soll erst dann greifen, wenn die dieser Maßnahme vorgeschalteten Maßnahmen der § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 StVG a.F. von der Behörde umgesetzt und der Betroffene entsprechend gewarnt wurde und auch die Möglichkeit hatte, sein Verhalten verkehrskonform anzupassen.[61]

 

Beispiel

Der Betroffene setzt sein Fahrzeug für eine Reihe von Diebstählen ein (um notfalls auch vor der Polizei flüchten zu können, hat er entsprechende Vorkehrungen getroffen) – so werden je Einzeltat 5 Punkte eingetragen (Nr. 3.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV) und das Punktekonto kann "hochschnellen".

 

Rz. 50

Danach setzt die Entziehung der FE bei Erreichen von 18 Punkten voraus, dass die Behörde zuvor die vom StVG a.F. vorgeschalteten verkehrspädagogischen und -psychologischen Maßnahmen eingesetzt hat und dass der FE-Inhaber das abgestufte Maßnahmensystem durchlaufen hat. Unverzichtbar ist insbesondere die vorherige Anordnung eines Aufbauseminars nebst Hinweis auf die Möglichkeit einer verkehrspsychologischen Beratung, die nicht durch eine frühere Anordnung der Wiederholung der theoretischen Prüfung ersetzt werden kann. Hat die Behörde diese Maßnahmen nicht ergriffen, ist der Punktestand des FE-Inhabers auf 17 Punkte (früher: 14 Punkte) zu reduzieren.[62]

 

Rz. 51

Vor Entziehung der FE wegen Erreichens von 18 Punkten müssen die Fahrerlaubnisbehörden den Betroffenen ausdrücklich auf die Möglichkeit des Punkterabatts (dazu unten Rdn 57 ff.) hinweisen.[63] Die Auffangregelung des § 4 Abs. 5 StVG a.F. zeigt, dass der Gesetzgeber Hand in Hand mit der Verschärfung der 18-Punkte-Grenze in jedem Fall dem Betroffenen vor Entziehung der FE die Möglichkeit zu verkehrspädagogischen oder verkehrspsychologischen Maßnahmen und damit dem Abzug von Punkten nach § 4 Abs. 4 StVG a.F. einräumen wollte. Dies gilt mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch für Verkehrsteilnehmer, deren Eintragungen zum Teil auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vor Inkrafttreten des StVG a.F. am 1.1.1999 beruhen, wenn für sie wegen der Übergangsregelung des § 65 Abs. 4 StVG a.F. insgesamt neues Recht anzuwenden ist.[64] Diese Problematik dürfte aber durch Zeitablauf keine Rolle mehr spielen.

[60] BT-Drucks 13/6914, S. 69; Jagow, DAR 1998, 189; vgl. dazu auch VG Gießen zfs 1995, 359 = NJW 1995, 2804 = DAR 1995, 379, mit Anm. Otting, und insb. die geänderte BGH-Rspr. zum Fortsetzungszusammenhang; NdsOVG NJW 2003, 1472.
[61] HambOVG v. 25.11.1999, NJW 2000, 1353 = zfs 2000, 469; vgl. auch VG Augsburg v. 30.5.2001 – Au 3 S 01.647, VwRR BY 2011, 424.
[62] HambOVG NJW 2000, 1353 = NZV 2000, 267 = VRS 98, 314 = DÖV 2000, 430; vgl. auch OVG NRW zfs 2000, 272; OVG NRW NZV 2000, 219; siehe aber auch VG Ansbach NZV 2000, 184.
[63] VG Regensburg – S 99.2031 Rn 9, zfs 2000, 40 = DAR 2000, 137; VG Braunschweig DAR 2000, 91 = NZV 2000, 101.
[64] VG Regensburg – S 99.2031 Rn 9, zfs 2000, 40 = DAR 2000, 137; VG Braunschweig DAR 2000, 91 = NZV 2000, 101; HambOVG NJW 2000, 1353 = NZV 2000, 267 = VRS 98, 314 = DÖV 2000, 430; vgl. auch OVG NRW zfs 2000, 272; OVG NRW NZV 2000, 219; HambOVG NZV 2000, 349; VG Ansbach NZV 2000, 184 lehnt die Anwendung des § 4 Abs. 5 StVG a.F. ab.

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