I. Einleitung

 

Rz. 199

Vergleichbar der Berufsunfähigkeitsversicherung ist auch die Krankentagegeldversicherung eine Summenversicherung. Sie wird im Zusammenhang mit der Krankenkostenvollversicherung in den §§ 192 ff. VVG erwähnt und findet sonst in den MB/KT 2009 sowie den Tarifbestimmungen ihr Regelwerk. Die folgenden Ausführungen nehmen daher Bezug auf diese Quellen.

 

Rz. 200

Das Krankentagegeld soll den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit ausgelösten Verdienstausfall ersetzen. Daher wird sie als Verdienstausfallversicherung bezeichnet (OLG Stuttgart VersR 2006, 1485, 1486). Obwohl heute bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten ist, rechtfertigt der Verdienstausfallcharakter die Befristungsmöglichkeit bis zum 65. Lebensjahr mit der Option auf Verlängerung bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres, § 196 VVG. Sie ist der Besonderheit unterworfen, dass sie nach den Bedingungen gedeckelt ist, § 4 (2) MB/KT 2009. Der Versicherungsnehmer soll sich nicht bereichern. Daher darf die Leistung des Krankentagegeldes zusammen mit anderen Krankengeldern das Nettoeinkommen nicht übersteigen. bzw. i.d.R. höchstens 80 % des Bruttoeinkommens betragen.

II. Versicherungsfall

1. Definition

 

Rz. 201

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolge, in deren Ablauf Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird, § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KT 2009. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht, § 1 Abs. 3 MB/KT 2009.

2. Arbeitsunfähigkeit

a) Berufliche Tätigkeit

 

Rz. 202

Wie die Berufsunfähigkeitsversicherung stellt auch die Krankentagegeldversicherung nicht auf das abstrakte Berufsbild ab, sondern nimmt ausdrücklich Bezug auf die konkret von der versicherten Person ausgeübte berufliche Tätigkeit.

 

Hinweis

Eine Umorganisation der beruflichen Tätigkeit oder gar eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit ist der Krankentagegeldversicherung fremd.

b) Nach medizinischem Befund

 

Rz. 203

Der medizinische Befund kann nicht durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigebracht werden (BGH, Urt. v. 30.6.2010 – IV ZR 163/09). Diese genügt nicht, um den Leistungsanspruch nachzuweisen. Vielmehr wird im Befund eine ausführliche Beschreibung des Krankheitsbildes gesehen.

Welche Anforderungen dieser medizinische Befund zu erfüllen hat, ist unbekannt. Hintergrund dürfte die für den Versicherer fehlende Bindungswirkung einer solchen medizinischen Befunderhebung sein. Man wird jedoch wohl erwarten dürfen, dass der behandelnde Arzt die Erkrankungen nicht nur unter Angabe des ICD-10-Diagnoseschlüssels benennt, sondern auch sich dazu erklärt, wie diese Erkrankungen genau ausgeprägt sind und wie sie sich auf die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person auswirken. Diese enge Verbindung zwischen konkretem Krankheitsbild und konkreter beruflicher Tätigkeit ergibt sich aus der Begriffsdefinition der Arbeitsunfähigkeit.

 

Praxistipp

Versicherer übersenden in der Regel dem Arzt einen Fragebogen, der die oben genannte Verknüpfung zwischen der Beschreibung des konkreten Krankheitsbildes und der konkret ausgeübten Tätigkeit aufgreift. Dieser Bogen ermöglicht es dem Versicherer, den Eintritt des Versicherungsfalles zu prüfen. Attestiert der behandelnde Arzt danach bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit, löst dies keine Bindung gegenüber dem Versicherer aus.

Allerdings ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen, was mit der Übersendung der AU-Bescheinigung erfolgen kann, § 9 Abs. 1 MB/KT.

c) Vorübergehend

 

Rz. 204

In der Definition ist das Merkmal "vorübergehend" Abgrenzungskriterium gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung, die bei einem Dauerzustand eingreift. Hinter dem Merkmal verbirgt sich grundsätzlich eine Prognoseentscheidung der Ärzte, die bei dem zu erwartenden Heilungsprozess von einer Genesung der versicherten Person ausgehen.

 

Praxistipp

Problematisch sind die Fälle, in denen der Heilungsverlauf prognostisch mehrere Monate andauert. Die Lösung dieser Fälle kann mitunter vom Bestand einer Berufsunfähigkeitsversicherung abhängig gemacht werden, die bei einer Arbeitsunfähigkeit von sechs Monaten das Merkmal "auf Dauer" als erfüllt betrachtet.

d) In keiner Weise ausüben kann

 

Rz. 205

Gerade die Definition der Arbeitsunfähigkeit, die darauf abstellt, dass die versicherte Person "in keiner Weise" ihre berufliche Tätigkeit ausüben kann, stößt immer wieder bei Versicherungsnehmern auf Unverständnis, wenn Ärzte oder Gutachter zumindest ein Restleistungsvermögen bejahen. Denn nach den Bedingungen muss das Krankentagegeld tatsächlich nur gezahlt werden, wenn 100 %ige Arbeitsunfähigkeit vorliegt (OLG Koblenz VersR, 2009, 626). Die Klausel des § 1 Abs. 3 MB/KT hält auch den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB stand, da ihr keine unklare Regelung anhafte; auch werde der Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Auch eine einschränkende Auslegung des Merkmals der "Nichtausübung", wonach nur Tätigkeiten von b...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge