Rz. 120

Der Nachlasspfleger hat sämtliche an ihn gerichteten und bei ihm eingehenden Steuerbescheide zu prüfen, um im Interesse der Erben ggf. Rechtsmittel einzulegen. Der Nachlasspfleger ist berechtigt, wenn ihm die eigene Sachkunde fehlt, einen Steuerberater zu beauftragen. Üblich und sachgemäß ist, den bislang mandatierten Bevollmächtigten weiter zu beauftragen.

 

Rz. 121

Der Nachlasspfleger ist (auch) im Besteuerungsverfahren der gesetzliche Vertreter der noch unbekannten oder ungewissen Erben. Steuerverwaltungsakte sind deshalb bis zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft an ihn zu richten, selbst wenn die Erben inzwischen bekannt wurden. Nach § 122 Abs. 1 AO 1977 ist ein Steuerbescheid demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Im Besteuerungsverfahren ist ein Steuerbescheid für denjenigen Beteiligten (vgl. § 78 Nr. 2 AO 1977) bestimmt, der als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird oder werden soll (§ 124 Abs. 1 AO 1977). Der Steuerschuldner (§ 43 AO 1977) ist mithin grundsätzlich Adressat des Steuerbescheides. Im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge gehen die Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über (§ 45 Abs. 1 AO 1977). Aus diesem Grund sind im Erbfall grundsätzlich die Steuerbescheide an die Erben als den Gesamtrechtsnachfolgern des Erblassers zu richten. Da der Verwaltungsakt eine hoheitliche Regelung für den Einzelfall darstellt, muss er die Person oder die Personen erkennen lassen, an die er sich richtet. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung des BFH stets verlangt, dass der oder die Erben namentlich im Steuerbescheid aufgeführt werden.

 

Rz. 122

Zieht sich die Ermittlung der Erben über mehrere Jahre hinweg, ist der Erbschaftsteuerbescheid an den Nachlasspfleger unter Annahme der Steuerklasse III zu richten.[70]

 

Rz. 123

Diese Grundsätze gelten nicht für den Fall, dass noch ungewiss ist, wer Erbe wird und deshalb gem. § 1960 Abs. 2 BGB für denjenigen, der Erbe wird, die Nachlasspflegschaft angeordnet wurde. Denn hier wird der Nachlasspfleger im Rahmen seines Aufgabenkreises als gesetzlicher Vertreter für den oder die unbekannten oder noch ungewissen Erben tätig. Dass der Nachlasspfleger innerhalb seines Aufgabenkreises gesetzlicher Vertreter des oder der Erben ist, entspricht der einhelligen Meinung in der Rechtsprechung und fast einhelliger Meinung im Schrifttum.

 

Rz. 124

Hat der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid für die unbekannten Erben Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt bzw. begründet, so kann dem vom Nachlassgericht festgestellten Alleinerben nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn dieser seine Behauptungen, der Nachlasspfleger habe es pflichtwidrig unterlassen, ihm nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft unverzüglich sämtliche Unterlagen über die Rechtsmittelverfahren herauszugeben, glaubhaft macht. Daraus ist zu folgern, dass der Nachlasspfleger, um Schadensersatzansprüche zu vermeiden, sämtliche Steuerbescheide exakt prüft und sich die Übergabe derselben an den Erben dokumentieren lässt. Es wird wohl zu den Pflichten gehören, auf laufende Rechtsmittelfristen und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hinzuweisen.

 

Rz. 125

Der Nachlasspfleger hat Steuerschulden zu tilgen (§ 34 Abs. 1 S. 1 AO), andernfalls kann er persönlich haftbar gemacht werden (§ 69 AO).

 

Rz. 126

Bei der Fortführung von Betrieben oder bei der Verwaltung größerer Nachlässe, die es notwendig machen, Personal zu beschäftigen oder einzustellen, ist bei der Anmeldung streng darauf zu achten, dass der Nachlasspfleger in Vertretung für die unbekannten Erben handelt. In der RVO gibt es keine Definition des Begriffs "Arbeitgeber". Demgemäß muss davon ausgegangen werden, welche Auslegung dieser Begriff im Arbeitsrecht erfahren hat. Hiernach ist Arbeitgeber, wer einen anderen als Arbeitnehmer beschäftigt. Der Nachlasspfleger ist aber nicht Partei kraft Amtes, er hat vielmehr die Interessen anderer zu wahren. Er verwaltet den Nachlass im Namen der Erben. Demgemäß hat er eine ähnliche Stellung wie ein Geschäftsführer oder Vorstand einer juristischen Person. Im Übrigen entsteht wegen der Nachlassverbindlichkeiten allein ein Anspruch gegen die Erben, nicht hingegen gegen den Nachlasspfleger.

[70] ErbBstg. 2008, 118.

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