Rz. 71

Der Nachlasspfleger hat den Nachlass in Besitz zu nehmen und umfangmäßig festzustellen, d.h. den Anfangsbestand festzustellen, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und dieses dem Nachlassgericht vorzulegen, §§ 1885, 1881 Abs. 1, 1835 BGB, auf den Tag seiner Bestellung. Die Richtigkeit und Vollständigkeit ist in geeigneter Weise zu belegen, § 1835 Abs. 2 BGB. Der Nachlasspfleger muss bei einem eindeutig nicht überschuldeten Nachlass die einzelnen Gegenstände nicht schätzen lassen. Die Schätzung von Schmuck und Kunstgegenständen kann sehr zeit- und geldaufwendig sein, sodass die Schätzung nur vorgenommen werden sollte, wenn die Gefahr der Überschuldung vorliegt und erst durch die Schätzgutachten das exakte Nachlassvermögen festgestellt und in Relation zu den Nachlassverbindlichkeiten gestellt werden kann, um somit einen positiven oder negativen Nettonachlass festzustellen. Nachlasspflegschaften werden insbesondere dann angeordnet, wenn die Verhältnisse des Verstorbenen weitestgehend ungeordnet sind. Eine der ersten Aufgaben des Nachlasspflegers ist es dann, zu sortieren und zu ordnen.

 

Praxishinweis

Um die Ausgangssituation dokumentieren zu können, sollten Räumlichkeiten nur zusammen mit einem Mitarbeiter betreten werden, wenn möglich auch noch mit einem Hausmeister. Es empfiehlt sich, Nachbarn von der Inbesitznahme unter Vorlage des Pflegerausweises in Kenntnis zu setzen, um Fehlalarme der besorgten Nachbarn bei der Polizei zu vermeiden. Wohnung, Schränke usw. sollten fotografisch bzw. filmisch erfasst werden, um den Zustand dokumentieren zu können (die Kosten sind erstattungsfähige Auslagen).

 

Rz. 72

Das Nachlassgericht wird den Nachlasspfleger von besonderen Umständen (z.B. extrem unhygienische Verhältnisse) meistens in Kenntnis setzen, sodass am besten beim allerersten Aufsuchen der Wohnung diese nur mit Schutzanzug, OP-Handschuhen und Gesichtsmaske mit Geruchsvertilger betreten wird. Vorgenannte Gegenstände können kostengünstig entweder über den Fachhandel (Drogerien) oder von Desinfektionsfirmen bezogen werden.

 

Praxishinweis

Die Mitnahme von wenigstens 4–5 Plastikklappboxen wird empfohlen, um gesichtete Wertgegenstände unverzüglich in Verwahrung nehmen zu können. Es sollten zudem beschriftbare Klebeetiketten sowie wiederverwendbare verschlussfähige Plastikbeutel verschiedener Größen bereitliegen, um sofort an Ort und Stelle die Gegenstände verpacken zu können.

 

Rz. 73

Dabei sei vermerkt: Die Verwahrung wertvoller Gegenstände ist nicht mitversichert im Rahmen der gängigen Anwaltspflichtversicherung, sie ist daher separat zu versichern. Kostengünstiger ist die Anmietung eines großen Bankschließfachs.

 

Praxishinweis

Die Durchsuchung der Wohnung kann nicht nach starren Schemata vorgenommen werden, es empfiehlt sich jedoch folgende Reihenfolge:

Handgepäck/-taschen;
Reisegepäck (im Fall der Krankenhausunterbringung);
Bereich um das Telefon;
Wohnzimmerschrank;
bei älteren Erblassern: u.a. Rollstuhl und rollbarer Einkaufswagen;
"gängige" Verstecke von Geld, Sparbüchern und Testamenten wie Kühlschrank, Backherd, Fach für Backbleche, Altpapierstapel, Wäscheschränke, Bücher und unter Deckchen, Folien, Abdeckpapier, um nur einige zu nennen – es ist genauestens zu untersuchen!

Die erste Durchsuchung der Wohnung sollte solange andauern, bis alle Wertgegenstände sichergestellt, Personendokumente aufgefunden und die Erblasserräumlichkeiten gegen anderweitigen Zugriff gesichert sind.

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