Rz. 145

Der Betriebsrat muss sich bei dem Widerspruch auf einen der in § 102 Abs. 3 BetrVG abschließend aufgezählten Widerspruchsgründe berufen.

a) Soziale Gesichtspunkte

 

Rz. 146

Der Betriebsrat kann nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht genügend berücksichtigt hat. Daher kommt dieser Widerspruchsgrund auch nur in Betracht, wenn es um eine betriebsbedingte Kündigung geht. Hierbei ist ein Vergleich nur mit den Arbeitnehmern des betroffenen Betriebs vorzunehmen. Die Vorschrift knüpft an § 1 Abs. 3 KSchG an. Da nach dieser Vorschrift bei der Sozialauswahl auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers abgestellt wird, kann der Betriebsrat seinen Widerspruch nur auf die Nichtbeachtung bzw. nicht ausreichende Beachtung dieser gesetzlich genannten Kriterien stützen. Der Betriebsrat kann ferner geltend machen, dass die Herausnahme von Mitarbeitern, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen derer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liege, fehlerhaft war, da dies Bestandteil der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ist. Der Betriebsrat ist gehalten, die Gründe, die er aus sozialen Gesichtspunkten geltend machen will, auf den Fall bezogen substantiiert zu konkretisieren.[180]

b) Verstoß gegen Auswahlrichtlinie

 

Rz. 147

Nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG kann der Betriebsrat den Widerspruch darauf stützen, dass die Kündigung gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG verstoße. Wenn im Betrieb eine Auswahlrichtlinie besteht, diese auf den Kündigungssachverhalt Anwendung findet und der Arbeitgeber hiervon abweicht, ist der Widerspruch des Betriebsrats begründet. Auch insoweit ist der Betriebsrat verpflichtet, konkrete Tatsachen anzugeben, aus denen sich die Möglichkeit eines Verstoßes der beabsichtigten Kündigung gegen die Auswahlrichtlinie ergibt.

c) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu gleichen Bedingungen

 

Rz. 148

Der Betriebsrat kann der Kündigung ferner widersprechen, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Dieser Widerspruchsgrund entspricht dem in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 KSchG verankerten Sozialwidrigkeitsgrund. Es muss sich dabei allerdings um einen freien Arbeitsplatz handeln, auf den der Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts versetzt werden kann.[181] Der Arbeitsplatz muss frei im Rechtssinne sein. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz zu schaffen oder einen Arbeitsplatz freizumachen. Frei im Rechtssinne sind allerdings auch Arbeitsplätze, die bei Ablauf der Kündigungsfrist frei sein werden bzw. in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist, die einer angemessenen Einarbeitungszeit entspricht, unbesetzt sein werden.[182] Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes muss sich der Arbeitsplatz im Betrieb oder in dem Unternehmen befinden. Anderweitige Konzernbeschäftigungsmöglichkeiten sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Der Betriebsrat ist dabei verpflichtet, die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in bestimmbarer Weise anzugeben.

[181] Richardi/Richardi/Thüsing, § 102 Rn 172 ff.
[182] Vgl. BAG v. 15.12.1994, AP Nr. 67 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

d) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Fortbildung oder Umschulung

 

Rz. 149

Der Widerspruch ist schließlich begründet, wenn der Betriebsrat ihn darauf stützen kann, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist. Die Zumutbarkeit richtet sich daher sowohl nach zeitlichen und finanziellen Kriterien als auch nach den Erfolgsaussichten der Umschulung. Auch muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass zum Zeitpunkt der Beendigung der Maßnahme ein entsprechender Arbeitsplatz frei ist. Dieser Widerspruchsgrund entspricht § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG. Es kommt ebenfalls jeder freie Arbeitsplatz in Betracht. Der betroffene Arbeitnehmer soll insoweit sein Einverständnis erklären.

e) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Bedingungen

 

Rz. 150

Der Betriebsrat kann schließlich gem. § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG widersprechen, wenn der Arbeitnehmer zu geänderten Bedingungen weiterbeschäftigt werden kann. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer sein Einverständnis hierzu erklären. Dieses Einverständnis muss bei Zugang des Widerspruchs beim Arbeitgeber vorliegen. Es kann sowohl dem Betriebsrat als auch dem Arbeitgeber gegenüber erklärt und mit dem Vorbehalt nach § 2 KSchG erklärt werden. Der Arbeitnehmer kann sein Einverständnis allerdings mit der Erklärung verbinden, dass die vorgeschlagene Vertragsänderung einer gerichtlichen Nachprüfung auf ihre soziale Rechtfertigung standhält. Der Betriebsrat hat bei dem Widerspruch konkret die aus seiner Sicht abzuändernden Vertragsbedingungen aufzuzeigen sowie darzulegen, in welchem Bereich des Betriebs oder Unternehmens ein freier Arbeitsplatz gegeben ist und dass der Arbeitnehmer mit einer entsprechenden Verwendung einverstanden ist.

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