Rz. 12

Wie im Innenverhältnis die Miterben untereinander und auch der Vermächtnisnehmer und der Auflagenbegünstigte im Verhältnis zum Erben die Pflichtteilslast zu tragen haben, kann nach Maßgabe des § 2324 BGB der Erblasser in der Verfügung von Todes wegen bestimmen. Fehlt es an einer solchen Regelung – was sehr häufig der Fall ist –, so gelten die gesetzlichen Bestimmungen, die allerdings nur schwer verständlich sind. Demnach ergibt sich:[11]

Miterben haben die Pflichtteilslast im Verhältnis ihrer Erbteile zu tragen (§§ 2038 Abs. 2 S. 1, 748, 2047 Abs. 1 BGB).
Die anteilige Verlagerung der Pflichtteilslast auf den Vermächtnisnehmer oder Auflagebegünstigten bestimmt sich nach § 2318 BGB: Der Erbe kann diese dadurch zur Tragung der Pflichtteilslast heranziehen, dass er den Betrag des Vermächtnisses oder der Auflage jeweils nach dem Verhältnis des Wertes dieser Zuwendung zum Wert des Nachlasses kürzt (§ 2318 Abs. 1 BGB). Im Interesse des Pflichtteilsschutzes des Vermächtnisnehmers wie aber auch des pflichtteilsberechtigten Erben wird dieses Kürzungsrecht nach § 2318 Abs. 2 und 3 BGB wiederum modifiziert (siehe § 2 Rdn 77 ff.).[12]
§ 2323 BGB schränkt das Kürzungsrecht des § 2318 Abs. 1 BGB insoweit ein, als der Erbe nach § 2320 BGB und § 2322 BGB die Pflichtteilslast auf einen Miterben oder Vermächtnisnehmer abwälzen oder mindern kann.
§ 2319 BGB gewährt dem pflichtteilsberechtigten Miterben nach der Nachlassteilung ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber anderen Pflichtteilsberechtigten in der Höhe, dass ihm wenigstens sein eigener Pflichtteil verbleibt (§ 2319 BGB).
Pflichtteilslast des Ersatzmannes, der anstelle eines Pflichtteilsberechtigten tritt (§ 2320 BGB) – eine in der Praxis wichtige Bestimmung (siehe § 2 Rdn 64 ff.).
Verlagerung der Pflichtteilslast bei einer Vermächtnisausschlagung auf denjenigen, der hieraus einen Vorteil zieht (§ 2321 BGB).
Kürzungsrecht des Ersatzmannes des Pflichtteilsberechtigten bei einer Ausschlagung der mit einem Vermächtnis oder einer Auflage belasteten Zuwendung (§ 2322 BGB – lex specialis zu § 2318 BGB).
 

Rz. 13

Nach § 2324 BGB kann der Erblasser einen großen Teil der Bestimmungen über die Tragung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis durch Verfügung von Todes wegen ausschließen. Dies gilt allerdings nicht für §§ 2318 Abs. 2 und 3, 2319 BGB, die dem direkten Pflichtteilsschutz dienen. Ein solcher vom Gesetz abweichender Wille des Erblassers kann sich zwar auch im Wege der Auslegung ergeben,[13] jedoch ist das der letzte Notanker. Der Kautelarjurist hat bereits Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden und von vornherein klar zu formulieren und regeln.

 

Rz. 14

Nach § 2324 BGB kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen hinsichtlich der Pflichtteilslast im Innenverhältnis – nicht aber im Außenverhältnis – demnach abweichend von den genannten Bestimmungen regeln:

die Tragung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis der Miterben untereinander;
das Kürzungsrecht des Erben gegenüber dem Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten nach § 2318 Abs. 1 BGB erweitern, beschränken oder ausschließen, jedoch beschränkt durch die Pflichtteilsschutzvorschriften nach § 2318 Abs. 2 und 3 BGB;
von den Bestimmungen der §§ 2319 S. 2, 2320 bis 2323 BGB abweichende Anordnungen treffen, insbesondere zur Tragung der Pflichtteilslast des Ersatzmannes.
 

Rz. 15

Die Notwendigkeit der Regelung der Pflichtteilslast in Verfügungen von Todes wegen wird in der Literatur zum Teil propagiert. Jedoch besteht kein Grund, immer und generell eine abweichende Verfügung von Todes wegen zu treffen; die gesetzliche Regelung enthält auch hier für den typischen Regelfall eine standardisierte Richtigkeitsgewähr. Die Praktikerliteratur betont daher richtigerweise, dass der jeweilige Sachverhalt auf die Notwendigkeit einer abweichenden Regelung der Pflichtteilslast stets zu überprüfen sei, im Ergebnis aber doch nur in gewissen Situationen ein Handlungsbedarf besteht.[14]

 

Rz. 16

Ein Regelungsbedarf für eine abweichende Verfügung zur Tragung der Pflichtteilslast besteht insbesondere in folgenden Fällen hinsichtlich des Kürzungsrechts gegenüber dem Vermächtnisnehmer (§ 2318 Abs. 1 BGB):

Erhält dieser nur ein Nutzungsrecht (Wohnungsrecht, Nießbrauch), so trifft ihn das Kürzungsrecht besonders hart, da er einen entsprechenden Geldbetrag zur Deckung des Pflichtteils Zug um Zug gegen Einräumung des Nutzungsrechts bezahlen muss. Hier kann ein Ausschluss des Kürzungsrechts angezeigt sein.
Werden zur Sicherung der Versorgung Vermächtnisse ausgewiesen, wie laufende Zahlungen oder eine bestimmte Geldsumme, etwa an den zweiten Ehegatten, so kann der Ausschluss des Kürzungsrechts angebracht sein.[15]

Ist der Vermächtnisnehmer allerdings pflichtteilsberechtigt, so ist das Kürzungsrecht des Erben bis zur Höhe des Pflichtteils ohnehin ausgeschlossen (§ 2318 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 17

Kein Handlungsbedarf besteht dagegen bei folgenden Konstellationen:

Hinsichtlich der Miterben bei einem Generationensprung: Wird statt des ...

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