Rz. 112

Erlangt das Nachlassgericht, gleich auf welchem Wege, Kenntnis von der möglichen Unrichtigkeit eines Erbscheins, hat es von Amts wegen die notwendigen Ermittlungen durchzuführen, § 26 FamFG.[227]

 

Beachte

Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Ein in der Praxis üblicher "Antrag" eines Beteiligten ist als Anregung zu werten.

Umstritten sind die Reichweite der Ermittlungspflicht und die Frage, welches Maß an gerichtlicher Überzeugung notwendig ist, um die Einziehung des Erbscheins anzuordnen.

Werden dem Gericht Tatsachen mitgeteilt, die Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins auslösen, z.B. die behauptete Testierunfähigkeit des Erblassers, hat das Gericht vor einer Entscheidung über die Einziehung die notwendigen Ermittlungen durchzuführen. Es hat entsprechend Beweise zu erheben, z.B. Zeugen und Sachverständige zu vernehmen. Voraussetzung für die Einziehung ist, dass das Gericht eine abschließende Aufklärung betrieben hat.

Der BGH[228] führt dazu aus:

Zitat

"(...) Der Senat vermag der Auffassung, dass die Einziehung eines Erbscheines schon aufgrund nur vorläufiger Ermittlungen zulässig sei, nicht zu folgen. Die Einziehung ist keine einstweilige Maßnahme, sondern stellt eine endgültige Entscheidung dar; denn mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos (§ 2361 Abs. 1 S. 2 BGB). Schon hieraus ergibt sich, dass die Einziehung eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses abschließende Ermittlungen voraussetzt. Die Bedenken des Bayerischen Obersten Landesgerichts, die aus dem öffentlichen Glauben des Erbscheins hergeleitet werden, sind nicht geeignet, die Einziehung eines Erbscheins nach nur vorläufigen Ermittlungen zu rechtfertigen. Es ist zwar richtig, dass die Gefahren, die aus einem unrichtigen Erbschein dem wirklichen Erben drohen können, durch die nach dem Gesetz zulässigen Maßnahmen (einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts gemäß § 24 Abs. 3 FGG oder, solange die Sache noch beim Nachlassgericht anhängig ist – da hier eine einstweilige Anordnung gesetzlich nicht möglich ist – eine auf Antrag eines Beteiligten zu erlassende einstweilige Verfügung des Prozessgerichts, durch die der Erbscheinsinhaber veranlasst wird, den Erbschein an das Nachlassgericht zur Verwahrung abzugeben) nicht völlig ausgeschaltet werden, weil die an die Erteilung des Erbscheins geknüpfte Vermutung des § 2365 BGB nicht den Besitz des Erbscheins voraussetzt, sondern unabhängig davon besteht, ob der Erbschein vorgelegt wird oder überhaupt einem Beteiligten bekannt ist (BGHZ 33, 314, 317). Dass Erbscheine in den Verkehr gelangen, die sich später als unrichtig herausstellen, lässt sich nicht vermeiden. Die dem wirklichen Erben durch das Bestehen eines unrichtigen Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses drohenden Gefahren dürfen jedoch nicht überschätzt werden. Sie können jedenfalls durch die erwähnten einstweiligen Maßnahmen weitgehend ausgeschaltet werden, da dem Erbscheinserben beispielsweise Verfügungen über Grundstücke praktisch unmöglich gemacht werden, wenn er keine Ausfertigung des Erbscheins vorlegen kann, wobei allerdings zu beachten ist, dass das Grundbuchamt, wenn die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, von der Vorlegung eines Erbscheins absehen kann (§ 35 Abs. 1 GBO). Entsprechendes gilt für ein Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 35 Abs. 2 GBO). Nach Auffassung des Senats ist auch im Einziehungsverfahren an dem Grundsatz, dass die Entscheidung erst nach Durchführung der Ermittlungen getroffen werden darf, festzuhalten. (...)"

Eine Einziehung wird dann ausgesprochen, wenn die Überzeugung des Nachlassgerichts von dem bezeugten Erbrecht "über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert ist".[229] Zum Maß der Überzeugungsbildung ergibt sich folgendes Stufenverhältnis:

Das Gericht muss nicht von der Unrichtigkeit des Erbscheins überzeugt sein; ausreichend ist vielmehr, dass seine Überzeugung, § 352e FamFG, erschüttert ist.[230] Hingegen reichen bloße Zweifel an der Richtigkeit für die Einziehung nicht aus.[231]

[227] Vgl. Palandt/Weidlich, § 2361 Rn 6; Staudinger/Herzog, § 2361 Rn 14.
[228] BGHZ 40, 54; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1545; BayObLG Rpfleger 1997, 370; Brehm, Rn 660.
[229] BGHZ 40, 54.
[230] Staudinger/Herzog, § 2361 Rn 22.
[231] Palandt/Weidlich, § 2361BGB Rn 9.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge