Rz. 124

Die dingliche Surrogation sorgt dafür, dass die Rechtsinhaber des ursprünglichen Nachlassgegenstands, also die Miterben, keine Schmälerung ihrer Rechtsposition erleiden. Die Miterben erhalten kraft Gesetzes eine gleichwertige Rechtsposition am Ersatzgegenstand und sind nicht auf die Durchsetzung schuldrechtlicher Ansprüche angewiesen. Es findet also kein Durchgangserwerb bei einem Dritten statt – was zu einer Gefährdung der Rechtsposition der Miterben (und indirekt auch der Nachlassgläubiger) führen könnte. Ein entgegengesetzter einverständlicher Wille aller Miterben kann in Fällen der Verwendung von Nachlassmitteln die Surrogationswirkung nicht verhindern.

 

Beispiel

Erblasser E, der die Tochter T und den Sohn S hat, hinterlässt ein formgültiges Testament, wonach der Sohn S zum Alleinerben eingesetzt, die Tochter T aber enterbt ist. S lässt sich vom Nachlassgericht einen Erbschein erteilen, der sein Alleinerbrecht ausweist. Unter Vorlage dieses Erbscheins lässt er sich von der Bank das auf den Erblasser lautende Sparguthaben auszahlen.

Danach wird ein Testament aufgefunden, wonach das die Alleinerbeinsetzung des S anordnende Testament wirksam widerrufen wurde, ohne dass E eine neue Erbeinsetzung vorgenommen hätte. Die beiden Kinder S und T werden zu gleichen Teilen gesetzliche Erben und lassen sich nach erfolgter Einziehung des ersten Erbscheins einen neuen Erbschein erteilen, der ihr gesetzliches Erbrecht ausweist.

Lösung

Mit der Auszahlung des Sparguthabens an S ist die Forderung kraft der Gutglaubenswirkung des Erbscheins erloschen (§ 2367 BGB). Das Eigentum an dem ausgezahlten Geld fällt aber, weil es aufgrund des zum Nachlass gehörenden Forderungsrechts erworben wurde, gem. § 2041 BGB unmittelbar in den Nachlass, an dem S und T seit dem Zeitpunkt des Erbfalls als Miterben je hälftig beteiligt sind. Obwohl das Geld nur an S allein übereignet wurde, wird er nicht Alleineigentümer. Vielmehr geht das Geld auf S und T in Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser E über. Leistet S nicht freiwillig in den Nachlass, so kann T den Anspruch aus § 985 BGB gem. § 2039 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft zur Leistung (evtl. durch Hinterlegung nach § 2039 S. 2 BGB; Verfahren für den Verwalter: §§ 410 ff. FamFG) für beide gegenüber S geltend machen.[145] Zur Zurückbehaltung nach § 273 Abs. 1 BGB ist ein Miterbenschuldner im Hinblick auf seinen Auseinandersetzungsanspruch grundsätzlich nicht berechtigt.[146] U.U. kann die Geltendmachung der Forderung gegen den Miterbenschuldner gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn seine Schuld mit Sicherheit durch seinen Erbanteil gedeckt wird.[147]

[145] BGH LM Nr. 3 zu § 249; BGH WM 1975, 1179.
[146] Gergen, NJW 1967, 1110.
[147] BGH FamRZ 1971, 644.

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