Rz. 82

Bedauerlicherweise kommt es immer wieder vor, dass, wenn schon einmal ein Fehler passiert, sich dem ersten gleich der zweite Fehler anschließt. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Wird z.B. ein elektronisches Dokument, das zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet ist, eingereicht, so bleibt nach § 130a Abs. 6 ZPO die zuvor beschriebene Heilung durch unverzügliche Nachreichung (mit Glaubhaftmachung), wenn das Gericht auf die Ungeeignetheit hinweist. Wenn aber zeitgleich die Fristsache z.B. zu spät eingereicht worden ist, kann das Fristversäumnis nicht über § 130a Abs. 6 ZPO geheilt werden. Hier muss vielmehr, sofern es sich um eine wiedereinsetzungsfähige Frist handelt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden.

 

Rz. 83

Folgende Fehler können somit nicht gem. § 130a Abs. 6 ZPO durch Nachreichung und Glaubhaftmachung geheilt werden:

Übermittlung eines Dokuments an das falsche Gericht
Fristversäumnis (fehlende oder zu späte Einreichung)
Wahl eines falschen Rechtsmittels
Fehler im Bereich der elektronischen Signatur (z.B. qualifizierte elektronische Signatur ist technisch fehlgeschlagen; qualifizierte elektronische Signatur ist nicht vorhanden und/oder einfache elektronische Signatur stimmt nicht mit dem Postfachinhaber überein (einfache elektronische Signatur und VHN nicht übereinstimmend)[57]
 

Rz. 84

 

Beispiel

Rechtsanwalt K reicht eine Berufungsbegründung nebst umfangreichen Anlagen als ZIP-Datei erst nach Fristablauf (00:03 Uhr des Folgetags) bei Gericht ein. Das Gericht moniert die Ungeeignetheit des Dateiformats gem. § 130a Abs. 6 ZPO und verweist auf die Möglichkeit zur Heilung. Gleichzeitig weist das Gericht darauf hin, dass aufgrund der Verfristung die Verwerfung der Berufung beabsichtigt ist. Das Gericht setzt eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen.

Was ist hier zu tun?

Frist für die unverzügliche Nachreichung (möglichst am selben Tag) notieren und unverzügliche Nachreichung und Glaubhaftmachung der inhaltlichen Identität gem. § 130a Abs. 6 ZPO, siehe hierzu auch Rdn 81 in diesem Kapitel.
Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit entsprechender Vorfrist notieren (hier: Frist 1 Monat,[58] § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO) und ggf. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen; versäumte Prozesshandlung dann zwingend nachholen (siehe hierzu auch § 21 in diesem Werk)
Stellungnahme zur Verwerfungsabsicht des Gerichts
Ggf. Haftpflichtversicherung informieren
[57] Siehe dazu auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2019 – 17 U 423/19, BeckRS 2019, 15207 sowie die umfassenden Ausführungen zu den Anforderungen an elektronische Signaturen in § 11 in diesem Werk.
[58] Die Frist beträgt zwei Wochen bei Versäumung von Notfristen bzw. der Wiedereinsetzungsfrist selbst!

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