Rz. 19

Eine Untersuchung[21] belegt, dass die persönlichen Einschätzungen,[22] Befindlichkeiten und Vorlieben eine beträchtliche Rolle spielen – beispielsweise für den Zeitpunkt.[23] Diese Unwägbarkeiten sind nicht nur auf staatlicher Seite, sondern gleichsam auf Verteidigerseite zu finden. Und das muss Angst machen: Nicht nur vor der Absprache (denn es gab bei der Befragung der Richter, ob sie zu der Überzeugung gelangt seien, an den in Aussicht gestellten Strafrahmen nicht mehr gebunden zu sein, immerhin einen Prozentwert von 11,8 %), sondern auch vor der Verteidigung. Interessant ist nämlich, dass rechtliche Schwierigkeiten des zu verhandelnden Falles bei der verfahrensbeenden Absprache nahezu ausnahmslos kein Motiv waren. Im Vordergrund stehen vielmehr Arbeitsüberlastung/-entlastung also Abkürzung (Bequemlichkeit?) des Verfahrens, unklare Beweislagen und Opferschutz dem besseren Verfahrensergebnis der Verteidigung gegenüber.[24] Auch die Inhalte der informellen Absprachen werden erfasst und zeigen, dass der Phantasie der Beteiligten bis dato keine Grenze gesetzt war.[25]

 

Rz. 20

Im Nachgang ist der BGH aufgerufen, diese Entscheidung weiter mit Leben oder Formalia zu füllen. Den Ausgangspunkt im Blick zu haben ist für Interessierte und auch für die Revisionsführer unabdingbar, wenn sie die obergerichtliche Rechtsprechung beeinflussen wollen.

Wer in der Tatsacheninstanz aber auch das Mittel der Verständigung als einen von mehreren Wegen versteht, wird mit dieser Untersuchung Einblick dahingehend erhalten, wie die anderen Prozessbeteiligten im "allgemeinen" zulässige Absprachen befördern.

Dies ist auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 21.4.2016 – 2 BvR 1422/15 ersichtlich, weil dort erneut Anlass bestand klarzustellen, dass das Verständigungsgesetz die Zulässigkeit von Verfahrensabsprachen umfassend und abschließend regelt und "informelle" Verfahrensweisen oder "Gentlemen‘s Agreements" an der gesetzlichen Regelung vorbei untersagt sind. Hintergrund sei, Verständigungen im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness in das Strafverfahrensrecht zu integrieren.

 

Rz. 21

Ergebnis dieser Untersuchung ist gleichsam, dass zwischen den Beteiligten der Trialog unabdingbar und eine offene Verfahrensführung für sachgerechte Prozessleitung unerlässlich ist. Dass dieses Ziel noch nicht immer erreicht ist, zeigen die vielen Entscheidungen des BGH, von denen eine Auswahl im Folgenden vorgestellt wird.

[21] Altenhain/Dietmeier/May, Die Praxis der Absprachen in Strafverfahren.
[22] Altenhain/Dietmeier/May, Die Praxis der Absprachen in Strafverfahren, S. 53 ff.
[23] Altenhain/Dietmeier/May, Die Praxis der Absprachen in Strafverfahren S. 47 ff., 61 ff., mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Befragten.
[24] Vgl. Übersichten in Altenhain/Dietmeier/May, Die Praxis der Absprachen in Strafverfahren, S. 186 ff.
[25] Altenhain/Dietmeier/May, Die Praxis der Absprachen in Strafverfahren, S. 192 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge