Rz. 34

Bei der Abwehr von Schenkungsrückforderungsansprüchen muss der konkreten Vereinbarung der Beteiligten ebenso wie allen Elementen des "sozialhilferechtlichen" Regress-Dreiecks besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Eine Zuwendung muss sich an den nachrangigen Leistungstatbeständen ausrichten und mit diesen wie "Schloss und Schlüssel" zusammenpassen, wenn man vermeiden will, dass einzusetzendes Einkommen und/oder Vermögen entsteht.

In der Rechtsverteidigung gegen einen solchen Anspruch gilt nichts anderes. Dazu muss stets sauber herausgearbeitet werden, wer eigentlich Schenker ist und was genau verschenkt worden sein soll.

 

Rz. 35

 

Fallbeispiel 104: Die schenkenden Eltern

Die Eltern V und M haben vor acht Jahren ihren jeweils hälftigen Miteigentumsanteil an dem Familienheim unentgeltlich auf ihren Sohn übertragen. Vater V verstirbt nach vier Jahren. Vier Jahre später wird die Mutter M heimpflegebedürftig und kann sich aus eigenen Mitteln nicht helfen. Das Sozialamt leitet den Schenkungsrückforderungsanspruch an der gesamten Immobilie auf sich über. Der Sohn S fragt um Rat.

Der Schenkungsrückforderungsanspruch ist "sozialhilfe"-rechtlich, d.h. in nachrangig ausgestalteten Leistungssystemen entweder Einkommen oder Vermögen. Das ist in jedem Leistungssystem gesondert zu prüfen, z.B. kommt im SGB IX nur eine Zuordnung als Vermögen in Betracht, weil der Einkommensbegriff mittels § 2 Abs. 2 EStG definiert wird. Der Schenkungsrückforderungsanspruch ist keine steuerliche Einkunftsart.

 

Rz. 36

Falllösung Fallbeispiel 104:

Vorliegend geht es um Heimkosten wegen Pflege – in Abgrenzung zu Kosten für Eingliederungshilfe in einer besonderen Wohnform – also vorrangig um Hilfe zu Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII. Es gilt der Einkommensbegriff der §§ 82 ff. SGB XII und der Vermögensbegriff des § 90 SGB XII.

Der Schenkungsrückforderungsanspruch würde – vorbehaltlich anderer Ausschlusstatbestände – durchgreifen, wenn die Mutter M dem Sohn die Immobilie geschenkt hätte. Nicht selten aber werden – wie im vorstehenden Fall – nur Miteigentumsanteile an einer Immobilie verschenkt, nämlich jeweils von Vater und Mutter. Das hat zur Konsequenz, dass kein einheitlicher Schenkungsrückforderungsanspruch entsteht, sondern zunächst einmal derjenige des bedürftigen Schenkers bezogen auf den von ihm verschenkten Miteigentumsanteil. Erst wenn dessen Mittel verbraucht wurden, kommt der Schenkungsrückforderungsanspruch des daheimgebliebenen Ehegatten (Elternteils) zum Zug, den dieser als nicht dauernd getrenntlebender Ehegatte nach den Regeln der Einsatzgemeinschaft (siehe dazu § 3 in diesem Buch) einsetzen muss. Folglich geht es vorrangig um den verschenkten Miteigentumsanteil des bedürftigen Elternteils und nicht um die verschenkte Immobilie als Ganzes.

 

Hinweis

Bedeutung kann diese Differenzierung erlangen, wenn nach Verbrauch der Mittel aus dem ersten Schenkungsrückforderungsanspruch die Zehn-Jahresfrist für den zweiten Schenker bereits abgelaufen ist.

 

Rz. 37

Ist wie im vorstehenden Fall ein Schenker vor Sozialhilfebezug vorverstorben, dann kann sich unmittelbar gegen ihn kein Schenkungsrückforderungsanspruch mehr richten. Der Anspruch ist begrenzt auf die Rückforderung des Miteigentumsanteils bzw. den Wert dieses Anteils.

Fraglich ist, ob sich aus der Tatsache, dass eine Rückforderung des Geschenks nach der vorstehend zitierten Entscheidung des BGH auch noch nach dem Tod des Schenkers möglich ist, etwas anderes ergibt. Der BGH hat Fallgruppen gebildet, bei denen der Anspruch aus § 528 BGB auch noch nach dem Tod des Schenkers vom Sozialleistungsträger gegen den Erben verfolgt werden kann. Rechtlicher Ausgangspunkt ist die grundsätzlich geschützte Freiheit des Schenkers, darüber zu entscheiden, ob er den Rückforderungsanspruch geltend machen will oder nicht; die Entstehung eines solchen Anspruchs hängt aber nicht von seinem Willen ab und ein Schutz besteht auch nicht gegenüber dem Sozialhilfeträger. Der Anspruch ist nicht erloschen, solange sein Zweck noch erreichbar ist und der Schenker ausdrücklich oder konkludent seinen Willen bekundet hat, den Beschenkten auf Herausgabe des Geschenks in Anspruch nehmen zu wollen.[85] Das ist der Fall, wenn

der Anspruch vor dem Tod des Schenkers bereits wirksam übergeleitet oder abgetreten war[86]
der Anspruch vom Schenker selbst geltend gemacht wurde und ein Dritter für den Unterhalt des Schenkers bis zu seinem Tod in Vorleistung getreten ist.
der Schenker sich nicht im Interesse des Beschenkten einschränken konnte oder wollte und mit einem unangemessen niedrigen Unterhalt zufriedengegeben hat, sondern Hilfe Dritter in Anspruch genommen hat oder auch nehmen musste.[87]
 

Rz. 38

Fallbeispiel 104 unterfällt keiner der Fallgruppen. Der Ehemann und die Ehefrau waren zu Lebzeiten des Ehemannes nicht bedürftig und bezogen keine Sozialhilfe. Erst mit der Sozialhilfeinanspruchnahme durch die Ehefrau hat diese deutlich gemacht, dass sie sich nicht einschränken und mit einem niedrigeren Unterhalt zufriedengeben konnte...

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