Rz. 95

Grundsätzlich wird zwischen den Beteiligten das Bewusstsein des Bestehens einer Wertedifferenz vorausgesetzt.[229] Das fehlt, wenn die Beteiligten – ohne jede Willkür – von einer gleich hohen Bewertung von Leistung und Gegenleistung ausgehen.[230]

Außerdem muss für eine (teilweise) Schenkung Einigkeit beider Beteiligter darüber bestehen, dass die Wertedifferenz unentgeltlich, d.h. unabhängig von einer den Wertunterscheid ausgleichenden Gegenleistung sein soll. Es kann aber sein, dass die Beteiligten sich eines Unterschieds bewusst waren und trotzdem keinen höheren "Preis" vereinbaren wollten ("gewollt günstiger Preis").[231]

 

Rz. 96

Grundsätzlich steht es den Beteiligten frei, den Wert der Gegenleistung nach ihren Vorstellungen festzulegen. Die Vertragsparteien können subjektiv den Wert der Zuwendung und den Wert der Leistungen des Zuwendungsempfängers sowie die Frage nach einem Rechtsgrund einzelner Gegenpositionen im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre anders bewerten und anders in Rechnung stellen, als dies für die Frage einer objektiven Bereicherung sowie den rechtlichen Vorgaben einer bereicherungsrechtlichen Schutzposition geboten ist.[232]

 

Rz. 97

Grundsätzlich müssen die Bewertungen der Beteiligten anerkannt werden. Es gilt das Prinzip der subjektiven Äquivalenz, d.h., die Beteiligten bestimmen den Wert von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst.[233] Hierfür sind nicht nur die objektiven Werte der Leistungen, sondern vor allem auch die Wertspannen zu berücksichtigen, innerhalb derer die Vertragsparteien den Wert der Leistungen auch unter Berücksichtigung der Beziehung, in der sie zueinanderstehen, in einer noch vertretbaren Weise hätten annehmen können.[234]

Im Kontext eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs hat der BGH z.B. einmal ausdrücklich darauf abgestellt, dass es einem Zuwendenden nicht verwehrt ist, den Zuwendungsempfänger "durch eine vorteilhafte Überlassung des Hauses an sich zu binden und sich so dessen Betreuungs- und Pflegedienste für das herannahende Alter zu sichern", auch wenn die Pflichtteilsberechtigten dadurch benachteiligt würden.[235] Das belegt, dass ein Zuschlag auf eine "übliche" Vergütung zu akzeptieren ist. Andererseits darf man bei dieser Argumentation nicht aus den Augen verlieren, dass sich beim Zusammentreffen von Beschenkten und Sozialhilfeträger das Motiv des Zuwendenden ja gerade nicht realisiert hat. An die Stelle von Betreuung und Pflege zu Hause ist das Heim getreten. Man wird also überlegen müssen, ob dann, wenn sich das Ziel des Zuwendenden durch Gründe, die in seiner Person liegen, gar nicht realisiert hat, man dem Zuwendungsempfänger versagen darf, sich auf den "Heimvermeidungsbonus" zu berufen.

 

Rz. 98

Nach der Rechtsprechung des BGH sind familienrechtliche Sonderbeziehungen in der einen wie in der anderen Richtung zu berücksichtigen. So könne es z.B. zwischen Ehegatten als nicht selbstverständlich angesehen werden, wenn langjährige Dienste aufgrund einer nachträglichen Vergütungsvereinbarung voll bezahlt würden. Derartige Vereinbarungen deuteten vielmehr darauf hin, dass es sich in Wahrheit nicht um eine nachträgliche Korrektur auf der Ebene der Vergütung für erbrachte Leistungen handele, sondern um einen Ausgleich zwischen den beiderseitigen Vermögen.[236] Die Leistung muss eine Vergütung nach den konkreten Verhältnissen der Parteien nicht nur als vertretbar, sondern auch als angemessen erscheinen lassen. Raum für eine "Zusatzvergütung" ist danach etwa dann, wenn der Wert der noch nicht (voll) vergüteten Leistungen deutlich über das hinausgeht, was man "beizusteuern" habe.[237]

Dazu führt der BGH aus: "Dabei ist zu berücksichtigen, dass vertragschließende Verwandte in diesem stark von persönlichen Beziehungen geprägten Bereich den ohnehin nur schätzbaren Wert ihrer Leistungen erfahrungsgemäß kaum je exakt kalkulieren."[238]

 

Rz. 99

 

Zusammenfassung

Die auf professioneller Ebene üblichen Vergütungen (§ 612 BGB) sind nicht die obere Grenze für die Bewertung von Leistung und Gegenleistung. Es gibt einen Spielraum für subjektive Bewertungen gerade bei familiären oder verwandtschaftlichen Beziehungen ("vertretbar großzügige Beurteilung mit Blick auf das Eltern-Kind-Verhältnis"[239]), deren Grenze dort liegt, wo die Beteiligten ohne sachliche Grundlage eine Entgeltabrede treffen und objektiv keine Gegenleistung vorliegt.

Bei mehreren Leistungen des Zuwendungsempfängers ist nicht eine Einzelbewertung der "Gegenleistungen" vorzunehmen. Der BGH verlangt eine Gesamtbewertung.[240]

Fehlt eine Gegenleistung völlig, so kann sie durch den Parteiwillen als solchen nicht ersetzt werden.[241] "Die Vertragspartner können diesem Ergebnis nicht dadurch entgehen, dass sie die Werte der Leistung eines gegenseitigen Vertrages ganz unangemessen festsetzen ("frisieren"), um einen äußerlichen Gleichstand zu erreichen."[242]

Dann kann sogar ausnahmsweise von einer sog. verschleierten Schenkung ausgegangen werden, bei der die Abrede der Entgeltlichkeit nach § 117 BGB als ni...

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