Rz. 106

Um eine nachprüfbare Äquivalenzbilanz aufzumachen, benötigt man zunächst eine möglichst weite Annäherung an den "sachlichen" = den objektiven Wert von Zuwendung und "Gegen"-leistung.

aa) Grundschulden/Hypotheken

 

Rz. 107

Wendet der Zuwendende eine Immobilie zu, die mit Grundschulden oder Hypotheken belastet ist, so stellt sich die Übernahme in der Regel nicht als Gegenleistung des Zuwendungsempfängers dar, sondern als Wertminderungsfaktor an der Immobilie.[271] Der Schenker schuldet das Geschenk, wie ein Vergleich zwischen § 523 Abs. 1 BGB mit §§ 434, 439 Abs. 2 BGB ergibt, grundsätzlich nur so, wie er selbst es hat.

Die Wertminderung entspricht der Sichtweise der Bewertung grundstücksbezogener Rechte und Belastungen in der Immobilienbewertung, wonach Hypotheken und Grundschulden keine den Verkehrswert beeinflussenden Werte darstellen, sondern nur die Höhe des Kaufpreises beeinflussen.

[271] Zur Schuldübernahme als Gegenleistung vgl. Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis, Kap. 4 Rn 1986 ff.

bb) Wohnungsrecht/Nießbrauch – Wertminderungsfaktor – keine Gegenleistung

 

Rz. 108

 

Fallbeispiel 109: Die Übertragung mit Wohnungsrecht und Pflegeverpflichtung

V (72 Jahre) übertrug sein Hausgrundstück 2016 "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" auf seine Tochter T (45 Jahre). Der Wert betrug 200.000 EUR. V behielt sich ein lebenslanges Wohnungsrecht ohne jede weitere Regelung vor (Jahreswert 10.000 EUR).

T wurde vertraglich verpflichtet, V bis zu dessen Lebensende unentgeltlich zu pflegen, solange dies auf dem Grundbesitz möglich sei. V erlitt 2018 einen Schlaganfall und konnte zu Hause – auch aus ärztlicher Sicht – nicht mehr fachgerecht gepflegt werden. Er verfügte nur über eine kleine Rente und beantragt für die Heimunterbringung Sozialhilfe. Diese verweigerte das Sozialamt wegen des bestehenden Schenkungsrückforderungsanspruchs gegen die Tochter T.

Im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge werden häufig dingliche Rechte vorbehalten oder mitübernommen, an dem zu übertragenden Objekt Nutzungsrechte vorbehalten oder begründet. Dabei gibt es unterschiedliche Alternativen, die entweder zu einer Wertminderung oder einer Gegenleistung führen können.

(1) Beispiel Nießbrauch

 

Rz. 109

Am Beispiel des Nießbrauchs dargestellt:

Es wird ein Eigennießbrauch[272] (Vorbehaltsnießbrauch) bestellt. Der Nießbraucher erhält nicht einen Nießbrauch an fremdem Eigentum, sondern er überträgt sein Eigentum und behält den Nießbrauch daran. Alternativ: Es wird zunächst das Eigentum übertragen und hiernach bestellt der hierzu verpflichtete Erwerber durch einen zweiten Vertrag dem Veräußerer einen Nießbrauch. In einer dritten Alternative wird alles in einem Vertrag – in einem Akt – vereinbart.[273]

 

Rz. 110

Um die Annahme einer Schenkung ganz oder teilweise zu vermeiden, müsste ein solcher Nießbrauch eine Gegenleistung des Erwerbers darstellen.[274] Gelegentlich wird dies in der Rechtsprechung so gesehen.[275] Andere vertreten die Auffassung, es handele sich um eine Auflagenschenkung.[276] Das gilt auf jeden Fall dann, wenn die Zuwendung im Rahmen einer Altenteils-/Leibgedingvereinbarung erfolgt und der Übernehmer in die Existenzgrundlage des Übergebers eingerückt ist.[277] In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um einen vorbehaltenen Nießbrauch außerhalb eines Altenteils und dazu wird vertreten,[278] dass der Beschenkte verpflichtet wird, eine Last auf dem Geschenk zu dulden, nicht eine eigene entgeltliche Leistung zu erbringen.[279]

 

Rz. 111

Für die Bestimmung des Wertes des Zuwendungsgegenstandes ist es letztlich egal, ob im Vertrag von "Auflage" oder "Gegenleistung" die Rede ist und ein solches auch gemeint ist. Auch wenn Leistungen als einklagbare Auflage im Sinne einer Auflagenschenkung (§ 525 BGB) darstellen, ist eine solche Zuwendung eine echte Schenkung im Sinne von § 528 BGB und die Auflage mindert den Wert der Schenkung.[280] Ein Nutzungsrecht stellt also so oder so eine Wertminderung des Geschenkes dar und regelhaft wird nicht von einer Gegenleistung auszugehen sein.[281]

[272] Vgl. hierzu ausführlich Cornelius, Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, Rn 175 ff.
[273] Vgl. z.B. BGH v. 6.3.1996 – Az.: IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754; BGH v. 29.3.1985 – Az.: V ZR 107/84 Rn 11, NJW 1985, 2419; mit historischer Darstellung BFH v. 28.7.1981 – Az: VIII R 124/76, BStBl 1982 II, 378.
[274] Zur Bewertung eines Nießbrauchs vgl. BGH v. 28.9.2016 – Az.: IV ZR 513/15, Rn 12, NJW 2017, 329 m.w.N.
[275] Z.B. OLG Köln v. 22.11.1991 – Az.: 20 U 36/91, FamRZ 1992, 480.
[276] BGH v. 2.10.1951 Cornelius – Az.: V ZR 77/50, BGHZ 3, 206, 211; vgl. OLG Köln v. 16.12.1997 – Az.: 3 U 111/97, NJW-RR 1999, 239.
[278] Vgl. hierzu ausführlich Cornelius, Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, Rn 184 ff.
[279] Gutachten DV in NDV 1992, 92; OLG Düsseldorf v. 15.3.1989 – Az.: 9 U 207/88, ZfF 1989, 181; BGH v. 22.11.2006 – Az.: XII ZR 8/05, BGHZ 170, 324, NJW 2007, 2245; BGH v. 16.4.2015 – Az.: IX ZR 68/14, Rn 17.
[280] Zeranski, Die Rückforderung der Schenkungen wegen Verarmung, 40, 42 m.w.N.

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