Rz. 112

"Die Einräumung solcher Rechte an einem unentgeltlich übertragenen Grundstück stellt grundsätzlich keine Leistung des Beschenkten dar. Sie führt nur dazu, dass der Wert des zugewendeten Gegenstands von vornherein geringer anzusetzen ist."[282]

Damit sind Nießbrauch und Wohnungsrecht gemeint.

 

Rz. 113

Falllösung Fallbeispiel 109 zum Wohnungsrecht:

Selbst wenn die Bewertung einer dinglichen Belastung als reale Gegenleistung für die Übertragung grundsätzlich möglich ist, so scheitert sie im Fallbeispiel daran, dass die Entgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart ist.[283] Die Übertragung des Grundstücks geschah von vorneherein nur unter dem Vorbehalt des Wohnungsrechts und das wird allgemein als wertmindernd angesehen.

Für die Bewertung eines Nutzungsrechtes ist in der Regel dessen jährlicher Nutzungswert – jeweils auf den Bewertungsstichtag bezogen – mit dem langfristig zu erwartendem Kapitalzins zu kapitalisieren.[284]

 

Rz. 114

Der Jahreswert eines Nutzungsrechts an einer Immobilie wird üblicherweise unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gebäudes, der Wohnung, der Lage und Umgebung unter Abzug der Kosten des Wohnberechtigten für die Instandhaltung der Wohnung und der ortsüblichen Umlagen ermittelt. Die demnächst außer Kraft tretenden – aber durchaus als Anhaltspunkte weiter geeigneten und mit Beispielen versehenen – Wertermittlungsrichtlinien sagen dazu:

Sowohl beim Nießbrauch als auch beim Wohnungsrecht sind die jeweiligen schuldrechtlichen Vereinbarungen zu beachten. Je nach vertraglicher Ausgestaltung ist daher zu klären, ob ein Recht befristet oder auf Lebenszeit, entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt wurde und wer die Kosten und evtl. auch die Lasten trägt, die im Zusammenhang mit dem Grundstück sowie dessen Nutzung entstehen. Die Höhe der vom Berechtigten bzw. vom Grundstückseigentümer zu tragenden Kosten bzw. Lasten können sowohl den Wert des Rechts als auch den Wert des belasteten Grundstücks beeinflussen.“ … "Zur Wertermittlung befristeter Rechte oder Belastungen ist der jährliche Vor- bzw. Nachteil über die Restlaufzeit zu kapitalisieren. … Sind Rechte oder Belastungen auf feste Zeiträume bezogen, ist mit Zeitrentenbarwertfaktoren zu kapitalisieren. Sind Rechte oder Belastungen an das Leben gebunden, ist mit Leibrentenbarwertfaktoren, bei mehreren Berechtigten mit verbundenen Leibrentenbarwertfaktoren zu kapitalisieren".[285]

Früher wurde nach Maßgabe der Anlage 9 zu § 14 BewG bewertet. Diese Regelung wurde zum 1.1.2009 aufgehoben und ist durch den sog. Vervielfältiger ersetzt worden, der vom Bundesministerium der Finanzen regelmäßig veröffentlicht wird. Andere Methoden sind der Rückgriff auf die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes unter Berücksichtigung finanzmathematischer Grundsätze oder eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG.[286]

 

Rz. 115

Falllösung Fallbeispiel 109: Wert des Wohnungsrechts

Die Bewertung wird "ex ante" vorgenommen; das gilt auch für die Bewertung der Causa des Rechtsgeschäfts. Würde es um eine vereinbarte lebenslange Nutzung handeln, so würde nach der Tabelle zur "Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung; Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab 1.1.2016"[287] bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung eines Mannes mit einem Alter von 72 Jahren mit 9,115 zu multiplizieren sein. Der Wert des lebenslangen Wohnungsrechts beträgt 91.150 EUR (9,115 x 10.000 EUR). 2018 hatte sich dieser Wert nicht geändert und der "alte" Vervielfältiger galt weiter.[288] Das kann allerdings insoweit nicht zutreffend sein, als der Wert eines Nutzungsrechts von seiner Nutzungsdauer abhängig ist.

[283] So für den Fall eines schuldrechtlich vereinbarten Wohnrechts BGH v. 8.2.2002 – Az.: V ZR 168/01; vgl. i.Ü. BGH v. 18.10.2011 – Az.: X ZR 45/10, NJW 2012, 605, NZM 2012, 285; BGH v. 5.2.1993 – Az.: V ZR 181/91, NJW 1993, 1577.
[284] BGH NJW-RR 1996, 705 m.w.N.; vgl. z.B. auch OLG Köln v. 9.3.2017 – Az.: 7 U 119/16 m.v.w.N.
[285] Richtlinien für die Ermittlung der Verkehrswerte (Marktwerte) von Grundstücken (Wertermittlungsrichtlinien – WertR 2006), 40 f und Anlagen 16–18.
[286] BeckOGK/A. Schindler, BGB § 2325 Rn 193 m.w.N.

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