Rz. 44

Der Entreicherung auf Seiten des Zuwendenden entspricht die Bereicherung auf Seiten des Zuwendungsempfängers. Der Vermögensabfluss beim Erblasser muss zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Zuwendungsempfängers geführt haben.[94] Das wird durch einen objektiven und an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Vergleich des Vermögens vor und nach der Zuwendung festgestellt und kann sowohl in einer Mehrung der Aktiva als auch in einer Verringerung der Passiva bestehen:[95]

Bestehende Belastungen, die den Vermögensgegenstand von Anfang an beschweren, bleiben unberücksichtigt, weil sie nur den Wert des Zuwendungsgegenstandes verringern.[96] Sie werden in der Praxis häufig untechnisch als Gegenleistung bezeichnet, sind aber erst bei der Wertebestimmung zu diskutieren.
Wenn durch die Leistung lediglich eine Schuld erfüllt wird,[97] verändert sich die Vermögenslage nicht. Eine Bereicherung ist deshalb zu verneinen.
 

Rz. 45

Eindeutig und problemlos führen die Fälle zu einer Bereicherung, bei denen auf der Seite des Zuwendungsempfängers keinerlei Leistungen zugunsten des Zuwendungsempfängers fließen oder fließen müssen und der Vermögenstransfer seine Basis einzig und allein in der Freigiebigkeit des Zuwendenden und seiner fremdnützigen Ausrichtung hat. Schwierig wird die Beurteilung dann, wenn der Zuwendungsempfänger seinerseits etwas gibt, in der Vergangenheit etwas gegeben hat und/oder in der Zukunft etwas geben soll. Eine Wertdifferenz zugunsten des Zuwendungsempfängers[98] reicht aus, um erhebliche Rechtsfragen aufzuwerfen.

Eine Bereicherung des Zuwendungsempfängers wird daraus abgeleitet, dass es zwischen den Leistungen überhaupt kein rechtlich verbindendes Element gibt oder nur eines, das jedenfalls so schwach ist, dass es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Seiten des Zuwendungsempfängers keine "Gegenleistung" ist.

Ob eine sich ergebende Wertdifferenz den Transfer von Vermögen vom Zuwendenden zum Zuwendungsempfänger entgeltlich oder unentgeltlich sein lässt, kann nicht aus dem Transfervorgang als solchem abgeleitet werden, sondern hängt von der Antwort auf die Frage ab, warum und zu welchem Zweck die Beteiligten in einen Leistungsaustausch eingetreten sind.[99] Das kann nur im Einzelfall bestimmt werden.

[95] Höfling, Die Schenkung und die unentgeltliche Verfügung im Erbrecht, 37 m.v.w.N.
[96] Vgl. schon RG v. 7.3.1905 – Az.: VII 336/04, RGZ 60, 238,242; BGH v. 18.10.2011 – Az.: X ZR 45/10, Rn 22, NJW 2012, 605.
[97] BGH v. 19.5.1967 – Az.: V ZR 167/64, WM 1967, 1131; Höfling, Die Schenkung und die unentgeltliche Verfügung im Erbrecht, 37 m.v.w.N.
[99] Z.B. Larenz, Schuldrecht Bd. II BT, 11.A. § 47, 155.

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