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Beispiel

Die Eheleute M und F errichteten im Jahr 1966 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und folgende Regelung auf den Schlusserbfall trafen:[404]

"Nach dem Tode des Längstlebenden soll der gesamte Nachlass unseren Kindern A, B und C anfallen und unter ihnen zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Dabei soll der Grundbesitz entsprechend dem Einheitswert in möglichst gleichwertige reale Teile aufgeteilt und verteilt werden. Überschießende Beträge sind nach dem Verkehrswert auszugleichen."

Der Ehemann verstarb im Jahr 1966. Die überlebende Ehefrau will jetzt ein Testament errichten. Das Hausgrundstück (Verkehrswert ca. 1 Mio. EUR) soll ihren Kindern A und B zu je ½ Anteil zufallen, das weitere Grundstück (Bauplatz, Verkehrswert ca. 300.000 EUR) soll an C gehen. Der Wertunterschied soll ausgeglichen werden.

Steht die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments der beabsichtigten Testamentserrichtung entgegen?

Lösung

Von der erbrechtlichen Bindung werden beim gemeinschaftlichen Testament nur die letztwilligen Verfügungen des überlebenden Ehegatten erfasst, die mit letztwilligen Verfügungen des vorverstorbenen Ehegatten im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehen, §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB. Bei dem hier vorliegenden "Berliner Testament" ist im Zweifel die Schlusserbeneinsetzung der gemeinschaftlichen Abkömmlinge durch den überlebenden Ehegatten wechselbezüglich zur Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten durch den vorverstorbenen Ehegatten, § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB.[405]

Wechselbezüglich können nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen sein, § 2270 Abs. 3 BGB. Bei der im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Anordnung zur Aufteilung des Nachlasses handelt es sich um eine Teilungsanordnung nach § 2048 BGB. Da eine Teilungsanordnung aber nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehen kann, folgt daraus, dass der überlebende Ehegatte nicht gehindert ist, eine solche Teilungsanordnung nachträglich zu widerrufen, und insoweit keine erbrechtliche Bindung eingetreten ist.[406]

Der überlebende Ehegatte ist auch nicht aufgrund erbrechtlicher Bindungswirkung daran gehindert, einem Kind nach Versterben des Ehepartners durch Teilungsanordnung wertmäßig mehr Grundstücke zukommen zu lassen, als dies dem Wert des zugewandten Erbteils entspricht. Voraussetzung dafür ist jedoch nach dem BGH, dass er diesem Kind auferlegt, dem anderen Miterben einen entsprechenden Ausgleich aus dem eigenen Vermögen zukommen zu lassen.[407]

[404] Beispiel nach DNotI-Report 16/1999.
[405] Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2270 Rn 19.
[406] Lehmann, MittBayNot 1988, 158.

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