Rz. 496

Nach der in allen drei Entscheidungen des BGH vorgenommenen rechtsdogmatischen Einordnung vollzieht sich die Anwachsung nicht rechtsgeschäftlich, sondern als gesetzliche Rechtsfolge analog § 738 BGB (und nicht nach dem erbrechtlichen Anwachsungsrecht der §§ 1935, 2094 BGB).

BGH im Urt. v. 27.10.2004:[527]

Zitat

"Anteile von Miterben, die aus einer fortbestehenden Erbengemeinschaft durch Teilauseinandersetzung ausscheiden, wachsen den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile an (Bestätigung von BGHZ 138, 8, 11)."

Ein bereits erteilter Erbschein, der auch den Abgeschichteten als Erben nennt, wird nicht unrichtig und deshalb auch nicht eingezogen; hier gilt dasselbe wie bei einer Erbteilsübertragung.[528] Selbst ein nach erfolgter Abschichtung zu erteilender Erbschein hat noch den ausgeschiedenen Miterben zu nennen.[529]

 

Rz. 497

 

Die rechtsdogmatische Konstruktion des BGH:

1.

Abfindungsvertrag als kausales Rechtsverhältnis (gegenseitiger Vertrag):

Ausscheidender Miterbe: Verpflichtung zum Verzicht
Verbleibende Miterben: Verpflichtung zur Leistung der Abfindung
2.

Erfüllungsgeschäfte:

Erklärung des Verzichts des ausscheidenden Miterben auf seine Beteiligung (keine Übertragung des Erbteils!!!)
Leistung der Abfindung durch die verbleibenden Miterben
3.

Gesetzliche (!) Rechtsfolge:

Anwachsung des Erbteils des Verzichtenden an die Verbleibenden.

 

Rz. 498

Nur die Übertragung des Erbteils bedarf nach § 2033 Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung. Eine solche liegt hier aber gerade nicht vor.

BGH: Jede Vereinbarung über eine Nachlassauseinandersetzung ist nicht formgebunden, solange keine Grundstücksübertragungsverpflichtung oder die Verpflichtung zur Abtretung eines GmbH-Anteils Gegenstand der Abfindungsvereinbarung ist. In den genannten Ausnahmefällen ist notarielle Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 BGB bzw. § 15 GmbHG erforderlich. Und: Weil die Anwachsung analog § 738 BGB gesetzliche Rechtsfolge ist, ist sie formfrei.

Die Anwachsung des Erbteils des Ausgeschiedenen erfolgt im Verhältnis der Beteiligungsquoten der Verbleibenden.

 

Beispiel

Erben des Erblassers E werden kraft Gesetzes bei bestanden habender Zugewinngemeinschaft seine Witwe W zu ½ und die beiden Kinder S und T je zu ¼.

S wird abgeschichtet. Nun wächst sein Erbteil von ¼ den beiden verbleibenden Miterbinnen W und T im Verhältnis ihrer bisherigen Erbbeteiligung an.

 
W ½ = 6/12
T ¼ = 3/12
S ¼ = 3/12 → Anwachsung an W und T im Verhältnis 6/12 : 3/12 = 2 : 1.
 
Ergebnis: W originär: 6/12 + von S: 2/12 = 8/12 = ⅔
  T originär: 3/12 + von S: 1/12 = 4/12 = ⅓
 

Hinweis

Nach erfolgter Anwachsung verändern sich die Mehrheitsverhältnisse in der Erbengemeinschaft. Dies hat Auswirkungen auf die Mehrheitsbeschlüsse bei Verwaltungsmaßnahmen (§§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB).

[528] RGZ 64, 173, 178.
[529] KG OLGE 44, 106.

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