Rz. 82

Liegen die Voraussetzungen des § 2041 BGB vor, so gehört der Ersatzgegenstand kraft Gesetzes zum Nachlass und muss nicht etwa aufgrund eines Forderungsrechts auf die Erben in Gesamthandsgemeinschaft übertragen werden. Es ist gleichgültig, ob der Handelnde zu erkennen gibt, für den Nachlass handeln zu wollen. Auch gegen den Willen beider Vertragsparteien wird Eigentum bzw. Rechtsinhaberschaft der Erben in Erbengemeinschaft begründet.[108]

Dies zeigt, dass die dingliche Surrogation in erster Linie dem Schutz der Nachlassgläubiger dient.

Der BGH formuliert in NJW 1990, 515 grundlegend:

Zitat

"Die erbrechtlichen Fälle der dinglichen Surrogation haben den Sinn, die realen Werte ... eines bestimmten Sondervermögens (Nachlass bzw. Erbschaft) zu binden und im Interesse bestimmter begünstigter Personen ... und ihrer Gläubiger über allen Wechsel der zu ihm gehörenden konkreten Bestandteile hinweg zusammenzuhalten und für den Zweck des Sondervermögens zu reservieren. Dieser Zweck wird dadurch erreicht, dass die im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung ... des Sondervermögens eintretenden Änderungen im konkreten Bestand seiner Einzelteile unter bestimmten Voraussetzungen in den vom Gesetz angeordneten Surrogationsfällen kraft Gesetzes auch zu einer entsprechenden rechtlichen (dinglichen) Zuordnung der Ersatzstücke (Surrogate) zu dem Sondervermögen und seinen Trägern führen. Dahinter steht der Gedanke: Der Wert des Sondervermögens und nicht seine konkrete Erscheinungsform ist das Ausschlaggebende."

 

Beispiel

Erblasser E, der die Tochter T und den Sohn S hat, hinterlässt ein formgültiges Testament, wonach der Sohn S zum Alleinerben eingesetzt, die Tochter T aber enterbt ist. S lässt sich vom Nachlassgericht einen Erbschein erteilen, der sein Alleinerbrecht ausweist. Unter Vorlage dieses Erbscheins lässt er sich von der Bank das auf den Erblasser lautende Sparguthaben auszahlen.

Danach wird ein Testament aufgefunden, wonach das die Alleinerbeinsetzung des S anordnende Testament wirksam widerrufen wurde, ohne dass E eine neue Erbeinsetzung vorgenommen hätte. Die beiden Kinder S und T werden zu gleichen Teilen gesetzliche Erben und lassen sich nach erfolgter Einziehung des ersten Erbscheins einen neuen Erbschein erteilen, der ihr gesetzliches Erbrecht ausweist.

Mit der Auszahlung des Sparguthabens an S ist die Forderung kraft der Gutglaubenswirkung des Erbscheins erloschen (§ 2367 BGB). Das Eigentum an dem ausgezahlten Geld fällt aber, weil es aufgrund des zum Nachlass gehörenden Forderungsrechts erworben wurde, gem. § 2041 BGB unmittelbar in den Nachlass, an dem S und T seit dem Zeitpunkt des Erbfalls als Miterben je hälftig beteiligt sind. Obwohl das Geld nur an S allein übereignet wurde, wird er nicht Alleineigentümer. Vielmehr geht das Geld auf S und T in Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser E über.

Leistet S nicht freiwillig in den Nachlass, so kann T den Anspruch aus § 985 BGB gem. § 2039 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft zur Leistung (evtl. durch Hinterlegung nach § 2039 S. 2 BGB) für beide gegenüber S geltend machen.[109] Zur Zurückbehaltung nach § 273 Abs. 1 BGB ist ein Miterbenschuldner im Hinblick auf seinen Auseinandersetzungsanspruch grundsätzlich nicht berechtigt.[110] U.U. kann die Geltendmachung der Forderung gegen den Miterben-Schuldner gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn seine Schuld mit Sicherheit durch seinen Erbanteil gedeckt wird.[111]

[108] BGH NJW 1968, 1824.
[109] BGH LM Nr. 3 zu § 249; BGH WM 1975, 1179.
[110] Dütz, NJW 1967, 1110.
[111] BGH FamRZ 1971, 644.

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