Rz. 1

Während sich das im 2. Abschnitt beschriebene materielle Recht damit befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen ausgehend im Wesentlichen von dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Ansprüche unter Personen bestehen und wie diese inhaltlich ggfs. näher ausgestaltet sind, beschäftigt sich der 3. Abschnitt des Buches mit den für die Rechtspraxis mindestens genauso bedeutenden Fragen, von wem und auf Basis welcher Verfahrensgrundsätze die nach dem materiellen Recht vermeintlich bestehenden Ansprüche, über die im konkreten Fall Streit unter den Parteien herrscht, festgestellt werden und ob und wie sie notfalls nach der hierzu maßgeblichen Entscheidung auch gegen den Willen der anderen Seite durchgesetzt werden können.

 

Rz. 2

Entsprechend der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung in Deutschland (vgl. Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes, GG) obliegt die Rechtsfindung, d.h. die sog. Judikative oder auch rechtsprechende Gewalt, den Gerichten. Die Gerichtsbarkeit ist dabei in Deutschland thematisch nach Rechtsgebieten aufgeteilt, für die teilweise auch recht unterschiedliche von den jeweiligen Gerichten und allen in den Gerichtsverfahren beteiligten Personen zu berücksichtigende Verfahrensordnungen und dort geregelte Verfahrensgrundsätze gelten. So weiß bspw. ein jeder, dass im Strafrecht die (an Stammtischen gelegentlich in Vergessenheit geratene) sog. Unschuldsvermutung gilt (in dubio pro reo, d.h. im Zweifel für den Angeklagten), während im Zivilrecht grds. derjenige, der meint, einen Anspruch gegen eine andere Person zu haben, diesen Anspruch zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen muss, wenn die Klage nicht aus sog. Beweislastgründen (die bestimmen, zu wessen Lasten es geht, wenn etwas im Gerichtsverfahren nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts geklärt wird) abgewiesen werden soll. Neben den Verfassungsgerichten (Bundesverfassungsgericht und Landesverfassungsgerichte, die über Streitigkeiten betreffend (bundes- und landes-) verfassungsrechtlich geschützte Rechte und Werte, wie u.a. die Verletzung von Grundrechten, entscheiden) gibt es die sog. ordentlichen Gerichte, die für Zivil- und Strafsachen zuständig sind. Zudem gibt es folgende Fachgerichtsbarkeiten: die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte, jede Gerichtsbarkeit jeweils in mehreren Instanzen organisiert, bei der die jeweils höhere Instanz die Entscheidung der Vorinstanz aufheben und ändern kann. Das hört sich auf den ersten Blick alles komplizierter an, als es wirklich ist. Das Meiste ist in dem insoweit durchaus kurzweiligen, weil klaren und recht kurzen Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geregelt, dessen Lektüre allen fachlich Interessierten wirklich nahe gelegt wird, da dort praktisch alle wichtigen Antworten zu den Fragen in diesem Kontext erfreulich klar geregelt sind.

 

Rz. 3

Die nachfolgend näher erörterte Zivilgerichtsbarkeit ist noch einmal untergliedert in die sog. streitigeGerichtsbarkeit, für die das Zivilprozessrecht der Zivilprozessordnung (ZPO) gilt, und die sog. freiwilligeGerichtsbarkeit, für die im Wesentlichen das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gilt. Von der Begrifflichkeit sei einem etwaigen Fehlverständnis aus der über die Jahrhunderte gewachsenen Begrifflichkeit vorgebeugt: die ordentliche Gerichtsbarkeit war nie "ordentlicher" als die anderen Fachgerichtsbarkeiten und die freiwillige Gerichtsbarkeit ist nicht etwas, das freiwillig ist oder freiwillig angeboten wird, sondern uneingeschränkt ebenfalls zwingend gilt und es gibt im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchaus Rechtsbereiche, bei denen es nicht selten sehr streitig unter den Beteiligten zugeht. So wurden als Konsequenz daraus die Streitigkeiten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) der Zivilprozessordnung und die übrigen Bereiche dem FamFG zugeordnet. Soweit keine besonderen Vorschriften im FamFG vorhanden sind, gilt im Übrigen die ZPO als Verfahrensrecht.

 

Rz. 4

Über die Jahrhunderte haben sich mit der Zeit im Bereich der Gerichtsbarkeit verschiedene Gerichtszweige herausgebildet und innerhalb des Zivilrechts wurden für verschiedene spezielle Rechtsbereiche unterschiedliche Verfahrensregelungen herausgebildet, wobei im Kern die einen der ZPO und die anderen dem früheren Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) zugeordnet wurden. Wie verschiedene materiell-rechtliche Bereiche wurde neben dem FGG, das nunmehr wie dargelegt in dem FamFG aufgegangen ist, auch das Zivilprozessrecht über die Jahre in einer Reihe von Reformen nicht unerheblich geändert.

Zunächst sollen die verschiedenen Instanzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgestellt werden.

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