Rz. 62

Der Gesetzgeber hat sein Konzept, das neue Recht möglichst schnell und umfassend zur Anwendung zu bringen, auch für die Abänderungsfälle umgesetzt. Nach Art. 22 VersAusglStrRefG, §§ 48, 51 VersAusglG ist das neue Recht vom 1.9.2009 an auch auf Altfälle anzuwenden, wenn eine Abänderung eines schon nach bisherigem Recht ergangenen Alttitels in Betracht kommt. § 10a VAHRG, der diese Materie früher regelte, gilt nicht mehr.

 

Rz. 63

Daraus hat sich eine nicht unbedeutende Haftungsfalle für viele Anwälte ergeben: Früher war es in vielen Fällen üblich, eine Entscheidung oder Vereinbarung über den Versorgungsausgleich "irgendwie" treffen zu lassen, wenn beide Parteien davon ausgingen, dass die im Versorgungsausgleichsverfahren ermittelten Werte ohnehin nicht verwirklicht werden würden, um dann ein Abänderungsverfahren durchzuführen, sobald die erforderlichen Altersgrenzen erreicht hatten und die endgültigen Werte der Versorgungen feststanden. Dieser Weg war im alten Recht ohne weiteres gangbar, weil es auch dann die Abänderung gestattete, wenn nur die Ausgangsentscheidung fehlerhaft gewesen war. Diese Möglichkeit ist nun beseitigt. Das bedeutet, dass es in all diesen Fällen keine Möglichkeit mehr gibt, die ursprünglich falsche Entscheidung zu korrigieren. Eine früher falsch getroffene Entscheidung bleibt deswegen falsch. Führt sie zu einer zu geringen Altersversorgung des betroffenen Mandanten, ist in diesen Konstellationen der Anwalt der benachteiligten Person regelmäßig regresspflichtig.

 

Rz. 64

Umgekehrt sind die Regelungen, welche die Abänderung von Entscheidungen nach dem neuen Recht betreffen, für die Abänderung von Entscheidungen, die noch nach dem alten Recht ergangen sind, nicht uneingeschränkt geeignet; denn die Abänderung von Entscheidungen nach neuem Recht ist nur in wesentlich weniger Fällen gestattet, als das nach dem früheren Recht der Fall war: V.a. kommt die Abänderung von Entscheidungen über den Versorgungsausgleich nach dem neuen Recht nur noch in Betracht, soweit Anrechte aus den Regelalterssicherungssystemen betroffen sind (vgl. § 225 Abs. 1 FamFG, § 32 VersAusglG). Soweit eine Entscheidung (oder Vereinbarung) private oder betriebliche Anrechte betrifft, ist eine Abänderung nach dem neuen Versorgungsausgleichsrecht nicht mehr zulässig.[30] Die Übertragung dieses Grundsatzes auf Altentscheidungen wäre unzulässig gewesen, weil das bisherige Recht einem ganz anderen Ausgleichssystem folgte, bei dem die Veränderung bei einem Anrecht den Ausgleichswert insgesamt beeinflusste.

[30] HK-BGB/Kemper, § 32 VersAusglG Rn 2; Borth, Rn 1075.

I. Grundlagen

 

Rz. 65

Der Gesetzgeber hat sich deswegen dafür entschieden, die Abänderung von Altentscheidungen grds. in § 51 VersAusglG selbstständig zu regeln, als die Voraussetzungen der Abänderung betroffen sind. Nur soweit die Voraussetzungen mit denjenigen des neuen Abänderungsverfahrens deckungsgleich sind und für das Verfahren wird auf die Regelungen des Abänderungsverfahrens verwiesen, die für die Entscheidungen nach neuem Recht bestehen. Es gelten insoweit die §§ 225 ff. FamFG. Materiell erfolgt dagegen wie bisher eine Totalrevision der früheren Entscheidung, jetzt aber nicht mehr nach dem bisherigen Recht, sondern nach dem neuen materiellen Recht.[31] Angesichts der erheblichen Unterschiede des neuen Versorgungsausgleichs im Vergleich zum bisherigen Recht kann das zu völlig veränderten Ergebnissen führen.

 

Rz. 66

Zu beachten ist, dass nur ein Alttitel über den sog. öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich (Wertausgleich nach § 1587b BGB a.F.) nach § 51 VersAusglG abzuändern ist. Ein Alttitel über den sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§§ 1587f ff. BGB a.F., § 2 VAHRG a.F.) ist nicht nach § 51 VersAusglG abzuändern, sondern als Titel mit Dauerwirkung nach §§ 48 FamFG (siehe dazu schon oben Rdn 59 f.). Besondere Regelungen gibt es insoweit nicht.[32] Zu beachten ist, dass wegen der Geltung des § 20 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG auch für Altfälle ab dem 1.9.2009 nahezu alle Alttitel über einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich abänderbar sind, weil nun das Netto- und nicht mehr das Bruttoprinzip gilt, sodass schon wegen des Wechsels der Berechnungsweise der Ausgleichsrente in jedem Fall eine wesentliche Änderung vorliegt.[33]

 

Rz. 67

In der Vergangenheit hatte die Abänderung von Entscheidungen über den Versorgungsausgleich nur eine relativ geringe Bedeutung. Das ließ sich v.a. psychologisch erklären. Nach dem Abschluss der Scheidung werden die Scheidungsfolgen oftmals verdrängt. Hinzu kommt, dass die Abänderung einer Versorgungsausgleichsentscheidung an bestimmte Altersgrenzen geknüpft war (vgl. § 10a Abs. 5 VAHRG),[34] sodass es den Beteiligten in vielen Fällen bei Erreichen dieser Altersgrenzen gar nicht mehr bewusst war, dass der frühere Titel noch abgeändert werden konnte. Das scheint auf den ersten Blick für die Annahme zu sprechen, dass die Auseinandersetzung mit den Abänderungsvorschriften des neuen Rechts für die Alttitel von eher geringem Interesse ist. Diese...

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