Rz. 124

Da das jeweilige Vollstreckungsorgan im Rahmen seiner Vollstreckungstätigkeit grundsätzlich nicht prüfen muss, ob das Vollstreckungsobjekt im Vermögen des Schuldners steht (formales Verfahren), muss einem Dritten Rechtsschutz dahingehend eingeräumt werden einzuwenden, dass der zu vollstreckende Gegenstand aus seinem Vermögen und nicht aus demjenigen des Schuldners stammt. Dies wird mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erreicht. Ziel dieser Klage ist es, die Zwangsvollstreckung in den jeweiligen Gegenstand für unzulässig erklären zu lassen, weil in schuldnerfremdes und damit dem Vollstreckungsgläubiger nicht haftendes Vermögen vollstreckt werden soll.

 

Rz. 125

Bei der Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen soll an dieser Stelle nur erwähnt werden, dass die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO als speziellerer Rechtsbehelf eine Herausgabeklage (z.B. nach § 985 BGB) oder eine Unterlassungsklage (z.B. nach § 1004 BGB) ausschließt.[92]

 

Rz. 126

Inhaltlich muss dem Kläger (Dritten) einer Drittwiderspruchsklage "ein die Veräußerung hinderndes Recht" an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung zustehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Dritte Eigentümer der Sache ist. Wegen weiterer Fälle eines die Veräußerung hindernden Rechts wird auf die einschlägigen Kommentierungen verwiesen.[93]

 

Rz. 127

In baurechtlicher Hinsicht ist insbesondere die Frage von Interesse, wie im Falle des Verkaufs einer Sache unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) zu verfahren ist:

 

Rz. 128

Verkauft ein Händler dem Bauherrn mehrere bewegliche Sachen und behält sich dabei sein Eigentum bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor (Eigentumsvorbehalt, § 449 Abs. 1 BGB) und wird der Bauherr – vor vollständiger Kaufpreiszahlung – insolvent, kann sich der Händler gegen eine Zwangsvollstreckung anderer Gläubiger des Bauherrn in "seine" beweglichen Sachen grundsätzlich mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO wehren. Es ist anerkannt, dass das Vorbehaltseigentum den Verkäufer zum Widerspruch nach § 771 ZPO berechtigt und dieser nicht bloß auf die Möglichkeit nach § 805 ZPO (Klage auf vorzugsweise Befriedigung) zu verweisen ist.[94] Dies ist sachenrechtlich damit zu begründen, dass die Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB an den Käufer/Bauherrn unter der Bedingung (vgl. § 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung an den Verkäufer stand. Solange das nicht geschehen ist, hat der Käufer/Bauherr höchstens ein Anwartschaftsrecht erworben, ist aber mangels Bedingungseintritts noch nicht Eigentümer der Sache. Daher bleibt der Verkäufer Eigentümer und kann somit nach § 771 ZPO vorgehen. Kommt es allerdings zum Erlöschen des Vorbehaltseigentums z.B. dadurch, dass der Bauherr die beweglichen Sachen mit seinem Grundstück bzw. seinem Haus derart nach § 946 BGB verbindet, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks werden, geht das Vorbehaltseigentum unter. Dann steht dem Vorbehaltsverkäufer "nur" noch ein Entschädigungsanspruch nach § 951 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 812 ff. BGB zu. In diesem Fall ist ihm die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO gegen eine Zwangsvollstreckung der anderen Gläubiger des Bauherrn in dessen Grundstück verwehrt, weil er durch die Verbindung kein Recht an dem Grundstück des Bauherrn erworben hat.

 

Rz. 129

Die Gläubiger des Bauherrn können im Falle des Verkaufs einer beweglichen Sache unter Eigentumsvorbehalt nicht in diese Sache selbst, sondern nur in das Anwartschaftsrecht des Bauherrn vollstrecken. Dabei ist umstritten, wie die Vollstreckung in ein solches Anwartschaftsrecht vorzunehmen ist.[95]

 

Rz. 130

Umgekehrt kann sich der Vorbehaltskäufer/Bauherr mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO gegen eine Vollstreckung der Gläubiger des Vorbehaltsverkäufers wegen seines bestehenden Anwartschaftsrechts an der Sache zur Wehr setzen.[96]

 

Rz. 131

Eine Drittwiderspruchsklage hat nur dann Erfolg, wenn dem Kläger (Dritten) ein die Veräußerung hinderndes Recht an dem Vollstreckungsobjekt zusteht und er auch nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 242 BGB verpflichtet ist. M.a.W.: Das die Veräußerung hindernde Recht darf nicht durch Einwendungen des Beklagten (z.B. Anfechtung nach §§ 2 ff., 9 AnfG, §§ 129 ff. InsO) ausgeschlossen sein.[97]

 

Rz. 132

Für die Drittwiderspruchsklage ist örtlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt (ausschließliche Zuständigkeit: §§ 771 Abs. 1; 802 ZPO). Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der Höhe des Streitwerts (§§ 23, 71 GVG).

 

Rz. 133

Die gerichtliche Entscheidung lautet im Falle der Unzulässigkeit und/oder Unbegründetheit auf Klageabweisung.

Hat die Drittwiderspruchsklage hingegen Erfolg, kann der Tenor eines stattgebenden Urteils z.B. wie folgt lauten:

 

"Die von dem Beklagten am (…) durch den Gerichtsvollzieher (…) aus dem (…) (genaue Angabe des Vollstreckungstitels) vorgenommene Zwangsvollstreckung in das (…) (genaue Angabe des Vollstreckungsobjektes) wird für unzulässig erklärt."

 

Rz. 134

Hinsichtlich des vor...

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