Rz. 43

Weitere Probleme können sich hinsichtlich des Titelinhalts ergeben. Zunächst kann es schon sehr schwierig sein zu erkennen, ob überhaupt ein "Zug-um-Zug-Titel" vorliegt. Wird in dem der Vollstreckung zugrunde liegenden Titel ausdrücklich eine Zahlung "Zug um Zug" gegen Beseitigung bestimmter Baumängel erwähnt (1. Fall), ergeben sich keinerlei Probleme. Wird zwischen den Parteien aber z.B. ein Vergleich mit dem Inhalt geschlossen, dass der Bauherr zahlen und der Bauunternehmer die Mängel beseitigen soll (2. Fall), ist unklar, ob die Parteien ihre Verpflichtungen aus diesem Vergleich Zug um Zug zu erbringen haben. In einem solchen Fall muss der Titel nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ausgelegt werden. Im 2. Fall wird man davon ausgehen müssen, dass die Parteien keinen von der materiellen Rechtslage abweichenden Zustand vereinbaren wollten und dass die Verpflichtungen Zug um Zug zu erbringen sind. Anders ist dies aber, wenn aus der Formulierung im Titel eindeutig hervorgeht, dass der Bauunternehmer vorleistungspflichtig sein soll.

 

Rz. 44

 

Formulierungsbeispiel

"Nachdem der Bauunternehmer (…) die Baumängel (…) (konkrete Bezeichnung) beseitigt hat, verpflichtet sich der Bauherr (…), den noch offenstehenden Werklohn i.H.v. (…) zu zahlen." (3. Fall)

Hierbei dürfte es sich um den praktisch seltenen Fall von § 726 Abs. 1 ZPO handeln.[20]

 

Rz. 45

Ein weiteres Problem hinsichtlich des Inhalts von "Zug-um-Zug-Titeln" besteht darin, dass die durch den Bauunternehmer zu erbringende Gegenleistung so hinreichend bestimmt sein muss, dass der Gerichtsvollzieher ohne Weiteres erkennen kann, was und wie vollstreckt werden soll. Fehlt eine klare Tenorierung der Zug um Zug zu erbringenden Leistung, wird eine ordnungsgemäße Vollstreckung erschwert bzw. vielleicht sogar unmöglich gemacht. Dem Vollstreckungsorgan muss durch den "Zug-um-Zug-Titel" quasi eine unmissverständliche Anleitung an die Hand gegeben werden.[21] Gerade dies stellt in der Praxis häufig ein Problem dar – etwa deswegen, weil der Bauherr seine Mängelrüge zwar substantiiert, aber sehr knapp gehalten hat.[22] An dieser Stelle zeigt sich eine weitere Verknüpfung des Erkenntnisverfahrens mit dem nachfolgenden Zwangsvollstreckungsverfahren: Die Prozessvertreter beider (!) Parteien sollten schon im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung darauf hinwirken, dass eine Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung von dem Gericht hinreichend bestimmt im Urteil beschrieben wird. Anderenfalls wird sich die Zwangsvollstreckung verzögern, weil zunächst eine Korrektur/Ergänzung des Titels (Urteil, Vergleich etc.) durch das Gericht notwendig werden kann.

 

Rz. 46

Bei der Bestimmung der Zug um Zug zu erbringenden Mängelbeseitigung durch den Bauunternehmer ist noch Folgendes zu beachten: In dem Vollstreckungstitel darf dem Bauunternehmer nicht etwa die Art und Weise der Mängelbeseitigung vorgeschrieben werden. Insofern steht dem Unternehmer nämlich ein Wahlrecht zu, wie er die Mängelbeseitigung vornimmt.[23] Maßgeblich ist allein das Ergebnis: Es muss gewährleistet sein, dass nach der Beseitigung der Mängel die Bauleistung dem vertraglich geschuldeten Zustand entspricht und auf Dauer gebrauchstauglich sowie funktionstauglich ist (grds. Mindeststandard: "allgemein anerkannte Regeln der (Bau-)Technik"[24]).

 

Rz. 47

 

Beispiele für eine unbestimmte Bezeichnung der Zug um Zug durch den Bauunternehmer vorzunehmenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen

"Der Bauherr verpflichtet sich zur Zahlung des offenstehenden Werklohns i.H.v. 10.000 EUR an den Bauunternehmer Zug um Zug gegen Beseitigung der von dem Bauherrn im Laufe der Bauausführung festgestellten Mängel durch den Bauunternehmer."

oder:

"Der Bauherr verpflichtet sich zur Zahlung von 10.000 EUR Zug um Zug gegen Beseitigung der sachverständig festgestellten Mängel durch den Bauunternehmer."

 

Rz. 48

In beiden Fällen lässt sich dem Tenor nicht entnehmen, welche Mängel genau zu beseitigen sind.

 

Rz. 49

 

Beispiel für eine hinreichend bestimmte Bezeichnung der Zug um Zug durch den Bauunternehmer vorzunehmenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen

"Der Bauherr zahlt den restlichen Werklohn i.H.v. 10.000 EUR an den Bauunternehmer Zug um Zug gegen Beseitigung folgender durch den Sachverständigen (…) im Gutachten vom (…) festgestellten Mängel: a) (…), b) (…), c) (…) (genaue Auflistung der Mängelpositionen)."

 

Rz. 50

In diesem Fall wird ganz genau bestimmt, welche Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch den Bauunternehmer vorzunehmen sind. Auf eine Formulierung dieser Art sollten die Prozessvertreter im Erkenntnisverfahren unbedingt hinwirken.

[20] Siehe auch: Zöller/Seibel, § 726 Rn 4.
[21] Vgl. dazu: Werner/Pastor/Manteufel/Pastor, Der Bauprozess, Rn 3169 ff.
[22] Zum substantiierten Mängelvortrag im Bauprozess: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, § 13 Rn 98 ff.; Seibel, Baumängel und anerkannte Regeln der Technik, Rn 420 ff.; Seibel, IBR 2006, 73 (Langaufsatz: IBR 2006, 1602 [nur online]); Seibel, DRiZ 2006, 361 ff.
[23] Werner/Pastor/Manteufel/Pastor, Der Ba...

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