I. Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Erben

 

Rz. 16

Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe (ebenso der Testamentsvollstrecker[23] und der Nachlasspfleger) die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen, § 1984 Abs. 1 BGB. Die Befugnisse gehen auf den Nachlassverwalter über. In entsprechender Anwendung des § 81 Abs. 1 InsO sind Verfügungen, die der Erbe nach der Anordnung der Nachlassverwaltung über Gegenstände des Nachlasses trifft, absolut unwirksam, also für und gegen jeden.

 

Rz. 17

Der Nachlassverwalter kann aber unwirksame Verfügungen genehmigen (analog § 185 Abs. 2 S. 1 Fall 1 BGB). Die Verfügung wird dann (rückwirkend) wirksam. Gleiches gilt, wenn der den Gegenstand freigibt oder wenn die Nachlassverwaltung aufgehoben wird und der Nachlassverwalter über den betreffenden Gegenstand noch nicht anderweitig verfügt hat.[24]

 

Rz. 18

Ein gutgläubiger Grundstückserwerb vom Erben bleibt aber möglich (§ 1984 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 2 InsO), da die hierfür maßgeblichen §§ 892, 893 BGB unberührt bleiben. Der Nachlassverwalter kann und muss den gutgläubigen Erwerb mit einer Eintragung der Anordnung der Nachlassverwaltung im Grundbuch verhindern. Für Mobiliarverfügungen gilt dies nicht; hier ist ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich, selbst wenn dem Erwerber die Anordnung ohne grobe Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist.[25] Streitig ist aber, ob gutgläubiger Erwerb möglich ist, wenn der Erwerber einer beweglichen Sache die Zugehörigkeit zum Nachlass ohne grobe Fahrlässigkeit nicht kannte. Die h.M. bejaht dies.[26]

 

Rz. 19

Bei einer unwirksamen Verfügung ist dem anderen Teil eine Gegenleistung aus der Nachlassmasse zurückgewähren, soweit die Masse bereichert ist, § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 3 InsO.

Der Schuldner kann auch nach Anordnung der Nachlassverwaltung mit schuldbefreiender Wirkung an den Erben leisten, wenn ihm zur Zeit der Leistung die Anordnung der Nachlassverwaltung unbekannt war, § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 82 InsO. Geschieht dies nach der öffentlichen Bekanntmachung des § 1983 BGB, muss der Schuldner seine Unkenntnis beweisen.

[23] MüKo-BGB/Küpper, § 1984 Rn 2.
[24] Vgl. Staudinger/Marotzke, § 1984 Rn 10.
[25] MüKo-BGB/Küpper, § 1984 Rn 3.
[26] Vgl. eingehend m.w.N.: Muscheler, Erbrecht, Rn 3581.

II. Prozessuale Stellung

 

Rz. 20

Mit dem Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsmacht verliert der Erbe auch die Prozessführungsbefugnis auf Kläger- und Beklagtenseite, § 1984 Abs. 1, Abs. 3 BGB.

Anhängige vermögensrechtliche Prozesse, die den Nachlass betreffen, werden mit Anordnung der Nachlassverwaltung unterbrochen, § 241 Abs. 3, i.V.m. Abs. 1 ZPO, es sei denn, es erfolgte eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten, § 246 ZPO. Es ist dann aber ein Aussetzungsantrag möglich, der zu einer Prozessunterbrechung bis zur Aufnahme des Prozesses durch den Nachlassverwalter führt.

 

Rz. 21

Eine wichtige Ausnahme zu diesen Grundsätzen gilt für den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 BGB. Dieser kann auch während der Nachlassverwaltung gegen den Erben eingeklagt werden, da es sich bei der Auskunft nach § 2314 BGB um eine persönliche, nicht aus dem Nachlass erfüllbare Verpflichtung handelt.[27] Dabei ist der Nachlassverwalter neben dem Erben aufgrund von § 2012 Abs. 2 BGB auskunftspflichtig, allerdings nur über den (gegenwärtigen) Bestand des Nachlasses.[28]

[27] OLG Celle v. 26.1.1960 – 10 U 108/59, MDR 1960, 402; Damrau/Tanck/Riedel, § 2314 Rn 38; Sarres, ZEV 1998, 4; MüKo-BGB/Lange, § 2314 Rn 43.
[28] Staudinger/Marotzke, § 2012 Rn 10.

III. Zwangsvollstreckung

 

Rz. 22

Bereits abgeschlossene Vollstreckungsmaßnahmen[29] (Verwertung; Überweisung) von Nachlassgläubigern gegen den Erben bleiben wirksam. Für sie hat der Erbe nach §§ 1978 Abs. 1, 280 BGB einzustehen.[30]

Eine von den Nachlassgläubigern gegen den Erben vor der Anordnung der Nachlassverwaltung eingeleitete Zwangsvollstreckung bleibt zulässig. Sie wird ohne Umschreibung des Titels auf den Nachlass fortgesetzt.

 

Rz. 23

Sind nach der Anordnung der Nachlassverwaltung noch Vollstreckungsmaßnahmen ohne Titel bzw. Klausel gegen den Verwalter eingeleitet worden, so kann der Nachlassverwalter hiergegen Erinnerung nach § 766 ZPO erheben.[31]

Zwangsvollstreckungen von Eigengläubigern des Erben in den Nachlass sind nach Anordnung der Nachlassverwaltung aber unzulässig, § 1984 Abs. 2 BGB. Hat der Eigengläubiger schon vorher vollstreckt, kann der Nachlassverwalter nach § 784 Abs. 2 ZPO die Aufhebung dieser vor Verfahrenseröffnung erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen verlangen.[32]

[29] Vgl. umfassend: Dauner-Lieb, in: FS Gaul 1997, S. 93 ff.; Stein, ZEV 1998, 178 ff.
[30] Muscheler, Erbrecht, Rn 3656.
[31] H.M.: Handke, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, § 784 Rn 5; Staudinger/Marotzke, § 1984 Rn 27 m.w.N.
[32] Staudinger/Marotzke, § 1984 Rn 29.

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