Rz. 12

Nicht selten wollen Eheleute im Überschwang der Gefühle zu Beginn eines Versöhnungsversuches sogleich ihre ernsten Absichten durch Rücknahme des Scheidungsantrags und Beendigung des Scheidungsverfahrens unterstreichen. Zu bedenken ist aber, dass wegen der oben beschriebenen Stichtagsregelungen auf diese Weise bestimmte Rechtspositionen im Versorgungsausgleich und Zugewinn – ohne Not – aufgegeben werden.

 

Rz. 13

Auch zeigt die Lebenserfahrung, dass Versöhnungsversuche nicht sehr häufig wieder in eine erfolgreiche eheliche Lebensgemeinschaft münden, sondern die Partnerschaftsprobleme vielfach nur "verfristet" werden.

 

Rz. 14

 

Praxistipp:

Bei einer erneuten Trennung der Ehegatten nach erfolgreicher Versöhnung beginnt ein neues Trennungsjahr.
Wird aber das Scheidungsverfahren später wieder neu aufgerollt, ist auch die ganze Vorbereitungsarbeit zum Versorgungsausgleich und Zugewinn wieder von vorne zu beginnen.
Auch kostenrechtliche Überlegungen sollten nicht außen vor bleiben. Der Mandant, der die Kosten selbst trägt, sollte fairerweise auf die – neuen und zusätzlichen – Kosten eines zukünftigen neuen Scheidungsverfahrens hingewiesen werden.
 

Rz. 15

Ist Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden und wird unmittelbar nach Beginn des Versöhnungsversuches der Antrag zurückgenommen, besteht das Risiko, dass nach einem gescheiterten Versöhnungsversuch nicht erneut Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden wird. Denn ein Beteiligter, der die Kosten des Verfahrens selbst bezahlen müsste, würde zuerst einmal das Ruhen des Verfahrens einleiten, statt den Antrag sofort zurückzunehmen. Die Vorgehensweise könnte daher als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO eingestuft werden.

 

Rz. 16

 

Praxistipp:

In der Praxis liest man oft in Schriftsätzen die Formulierung "Die Beteiligten haben sich versöhnt".
Aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht empfiehlt sich jedoch der Satz: "Die Beteiligten unternehmen einen Versöhnungsversuch".
Es sollte dann erst einmal das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.
Der beratende Anwalt sollte sich aber auch eine Frist notieren, um beim Mandanten später nachzufragen, ob das Verfahren jetzt durch Antragsrücknahme beendet werden kann.
Sonst besteht die Gefahr, dass die Beteiligten das Scheidungsverfahren vergessen und Jahre später – im Fall eines neuen Scheidungsversuches – unangenehme Überraschungen erleben.
Das alte "vergessene" Verfahren wird wieder aufgenommen und der Versorgungsausgleich nur für die "alte" Ehezeit durchgeführt. Denn das längere Ruhen des Scheidungsverfahrens berührt den Stichtag nicht.[12]
Eine Beteiligung des anderen Ehegatten an den seitdem erworbenen Anrechten im Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Entsprechendes gilt für den Zugewinn.

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