Rz. 91

Für die Übertragung des Familienheims unter Ehegatten während bestehender Ehe – unabhängig davon, ob aus ihr gemeinsame Kinder abstammen – gilt die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG, jedoch nur insoweit, als es die von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteile betrifft: Wendet der eine Ehegatte dem anderen freigebig das Eigentum oder Miteigentum an dem Haus zu, ist die Zuwendung nur hinsichtlich der von den Ehegatten selbst bewohnten Flächen steuerfrei. Zu den von den Ehegatten selbst bewohnten Flächen zählen auch von nahen Angehörigen der Ehegatten zu Wohnzwecken benutzte Räume, wenn diese Personen einen gemeinsamen Hausstand mit den Ehegatten führen.[101]

 

Rz. 92

Es besteht eine Vermutung dafür, dass die Übertragung einer Immobilie am Ende einer Ehe der (auch teilweisen) Erfüllung einer Zugewinnausgleichsschuld dient, deshalb entgeltlich ist und somit die Tatbestandsmerkmale der Grunderwerbsteuerpflicht erfüllt.[102] Allerdings löst die Übertragung eines Grundstücks zur Abgeltung des Zugewinnausgleichsanspruchs keine Grunderwerbsteuer aus (§ 3 Nr. 5 GrEStG). Vermögensauseinandersetzung i.S.v. § 3 GrEStG bedeutet jedoch die Bestimmung der endgültigen rechtlichen Zuordnung des gemeinsamen Grundstücks als Folge der Auseinandersetzung. Da § 3 GrEStG keine zeitliche Befristung der Befreiungsmöglichkeit vorsieht, ist nach Beendigung der Auseinandersetzung im Rahmen der Scheidung eine anschließende Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht mehr möglich.[103]

 

Rz. 93

Das Jahressteuergesetz 2010[104] sieht bei der Grunderwerbsteuer – im Gegensatz zur Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. § 37 Abs. 5 ErbStG) – erst für Erwerbsvorgänge ab 14.12.2010 eine Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern und (auch kinderlosen) Ehegatten vor (dazu § 3 Nrn. 3 bis 7 i.V.m. § 23 Nr. 9 GrEStG). Der Gesetzgeber ist den Vorgaben des BVerfG[105] zur steuerlichen Anwendung der Erbschaft- und Schenkungsteuer (auch) in allen noch offenen Fällen ab 1.8.2001 (= Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes) zwar gefolgt, nicht hingegen für die Grunderwerbsteuer für ältere, noch nicht bestandskräftige Fälle.

 

Rz. 94

§ 3 Nr. 5 GrEStG begünstigt den Grundstückserwerb von dem Gesamtrechtsnachfolger des geschiedenen Ehegatten nicht. Vereinbaren Ehegatten jedoch zur Regelung der Vermögensauseinandersetzung im Zusammenhang mit ihrer Scheidung, dass sie vorerst Miteigentümer des weiterhin von einem Ehegatten und dem gemeinsamen Kind genutzten Wohnhauses bleiben, und erhält der nutzende Ehegatte ein notariell beurkundetes Ankaufsrecht für den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten, ist ein nach der Scheidung aufgrund des Ankaufsrechts erfolgter Erwerb von dem früheren Ehegatten nach § 3 Nr. 5 GrEStG grunderwerbsteuerfrei.[106]

 

Rz. 95

Eine grundsteuerlich begünstigte Vermögensauseinandersetzung liegt auch dann vor, wenn Eheleute zur Regelung ihrer Vermögensverhältnisse anlässlich der Scheidung ein Grundstück und Gebäude auf fremdem Grund und Boden, die während der Ehe jeweils im Alleineigentum eines Ehegatten standen und für betriebliche Zwecke genutzt wurden, in das Gesamthandseigentum einer von den geschiedenen Eheleuten neu gegründeten GbR einbringen, um den während der Ehe aufgebauten Betrieb auch nach der Scheidung fortzuführen. Erwirbt daher eine GbR, an der je zur Hälfte geschiedene Ehegatten beteiligt sind, im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung der Ehegatten ein Grundstück aus dem Alleineigentum eines Ehegatten, ist dieser Erwerb in Höhe von 50 % nach § 5 Abs. 2 GrEStG und in Höhe von weiteren 50 % aufgrund einer Interpolation des § 3 Nr. 5 GrEStG und des § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei.[107]

 

Rz. 96

Problematisch ist die Frage der Grunderwerbsteuerfreiheit dann, wenn das Grundstück dem zugewinnausgleichsberechtigten Ehepartner aus dem Vermögen einer Gesellschaft übertragen wird, an dem der zugewinnausgleichsverpflichtete Ehepartner mit dritten Personen beteiligt ist. Ob nur ein dem gesellschaftsrechtlichen Anteil des übertragenden Ehepartners entsprechender Teil grunderwerbsteuerfrei ist oder ob insgesamt die Grunderwerbsteuerfreiheit nicht gegeben ist, weil es sich um einen gesellschaftsrechtlichen Vorgang handelt, ist streitig.

 

Rz. 97

Übersicht über die Ausnahmetatbestände von der Grunderwerbsteuerpflicht:[108]

 
1. der Erwerb eines Grundstücks, wenn der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert (§ 8) 2.500 EUR nicht übersteigt;
2. der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung jedoch hinsichtlich des Wertes solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind;
3. der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses. Den Miterben steht der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner gleich, wenn er mit den Erben des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners gütergemeinschaftliches Vermögen zu ...

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