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Bei einem einmaligen Fehlverhalten ist besonders zu prüfen, ob daraus bereits Anhaltspunkte Eignungszweifel abgeleitet werden können;[26] es muss eine erhebliche Straftat vorliegen. Eine erhebliche Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht und auf hohes Aggressionspotential hinweist, liegt etwa dann vor, wenn ein Kraftfahrer einen anderen "heruntergebremst" hat und wegen Nötigung verurteilt worden ist, wenn im Rahmen der Wiedererteilung der vom Strafgericht entzogenen FE von der Fahrerlaubnisbehörde eine MPU gefordert wird. Eine MPU kann nach Abschluss eines strafrechtlichen Verfahrens zur Frage des Entzugs durch die Straßenverkehrsbehörde nur dann gefordert werden, wenn die FE vom Strafgericht nicht entzogen worden ist, aber zur Eignung in der strafrechtlichen Entscheidung keine Aussagen gemacht wurden (ausführlich zum Vorrang des Strafverfahrens und zur Bindungswirkung der strafrechtlichen Entscheidung siehe § 16 Rdn 2 ff.).[27]

Im Rahmen der Wiedererteilung der FE nach einem strafgerichtlichen Entzug und Ablauf der Sperrfrist sind die Vorschriften des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4–7 FeV ebenfalls anwendbar.[28] Die Behörde muss hier auch nicht die Bindung an die strafgerichtliche Eignungsentscheidung berücksichtigen.

Bei den Straftaten muss es sich weder um Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften handeln noch müssen sie im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen oder im Straßenverkehr begangen worden sein. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 11 Abs. 3 S. 1 Nrn. 4 und 5 FeV, die zur Gutachtensanforderung bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften (§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV) und bei einer erheblichen Straftat oder Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV) ermächtigen. Ferner ist nicht unbedingt erforderlich, dass der Betroffene bereits zuvor im Straßenverkehr aufgefallen ist. Fehleinstellungen und Fehlreaktionen, die durch Straftaten außerhalb des Straßenverkehrs zum Ausdruck kommen, können auch eine adäquate Bewertung der Normen und Gesetze, die den Straßenverkehr regeln, und ein entsprechend angepasstes Verhalten als motorisierter Verkehrsteilnehmer erschweren (vgl. Nr. 3.16 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung in der ab 1.5.2014 geltenden Fassung). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tatumstände auf ein hohes Aggressionspotenzial schließen lassen. Dann besteht ein Bezug zur Kraftfahreignung.[29]

Das ist etwa der Fall bei einer Verletzung eines Fußgängers durch Unachtsamkeit, danach folgendes Einschlagen auf das Unfallopfer sowie im Anschluss an das Geschehen erfolgende Sachbeschädigung, Beleidigung und Drohungen gegenüber Zeugen.[30]

Die erhebliche Straftat muss auch nicht unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen sein. Durch die erhebliche Straftat, die Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bietet, werden entsprechende Eignungszweifel ausgelöst. Das gilt etwa nach einer Verurteilung wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.[31] Auch ein sexueller Missbrauch von Kindern soll Anhaltspunkte für Aggressionspotential bieten. Denn diese Straftat zeige ein impulsives Durchsetzen eigener Interessen durch den Führerscheininhaber unter schwerwiegender Verletzung der Interessen anderer und gebe damit Anhaltspunkte für Aggressionspotential.[32]

[26] VG Saarland v. 3.6.2009, zfs 2009, 655.
[27] Vgl. VG München v. 20.8.2009, M 6b K 08.5988 – Nötigung durch "Ausbremsen" und Abdrängen, kein Entzug im Strafverfahren ohne Eignungsausführungen.
[28] BayVGH v. 23.2.2010, 11 CE 09.2812.
[29] BayVGH, Beschl. v. 24.11.2014, 11 CS 14.2194, juris – mehrfache Körperverletzung innerhalb weniger Monate aus nichtigem Anlass; Beschl. v. 23.2.2010, 11 CE 09.2812, juris – besonders rohe Körperverletzung durch Einschlagen auf das bereits am Boden liegende Opfer.
[30] BayVGH, Beschl. v. 8.1.2015, 11 CS 14.2389, SVR 2015, 232 mit Bespr. Koehl, juris.
[31] BayVGH, Beschl. v. 25.3.2014, 11 C 13.1837, juris.
[32] OVG NRW, Beschl. v. 8.7.2014, 12 LC 224/13, NJW 2014, 3176, juris.

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