Rz. 134

Bei der Problematik eines unüberschaubaren und möglicherweise überschuldeten Nachlasses, für den die Testamentsvollstreckung übernommen werden soll, handelt es sich nicht um ein spezifisch auf unternehmerische Nachlässe bezogenes Problem. Für geschäftsmäßig agierende Testamentsvollstrecker sind solche Nachlässe jedoch besonders ärgerlich, weil sie regelmäßig zu einer erheblichen Disproportionalität zwischen Zeitaufwand für die Vollstreckung und Haftungsrisiko einerseits sowie Höhe der Vergütung andererseits führen.

 

Praxishinweis

Zu warnen ist zunächst vor einer vorschnellen Annahme des Amtes als Testamentsvollstrecker.[74] Zur Amtsannahme besteht keine Rechtspflicht, auch nicht bei der Bestimmung durch das Nachlassgericht. Mittelbare Sanktionen wie eine Schadenersatzpflicht bestehen ebenfalls nicht. Wurde das Amt angenommen und stellen sich erst jetzt die Abwicklungsschwierigkeiten heraus, kann das Amt zwar jederzeit ohne Angabe von Gründen durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht nach § 2226 BGB niedergelegt werden. Erfolgt die Niederlegung jedoch zur Unzeit, kann sich der Testamentsvollstrecker nach § 671 Abs. 2, 3 BGB schadenersatzpflichtig machen.

 

Rz. 135

Die Werthaltigkeit eines Nachlasses lässt sich für niemanden vorherbestimmen. Die Kenntnis der Handlungsoptionen für dürftige Nachlässe gehört zum Risikomanagement jedes geschäftsmäßig agierenden Testamentsvollstreckers.

[74] Rott, Erbfolgebesteuerung 2007, 291–294.

I. System der Erbenhaftung

 

Rz. 136

Nach dem Grundsatz der Universalsukzession geht das Vermögen als Ganzes auf den Erben über, § 1922 Abs. 1 BGB. Dies gilt gleichermaßen für die Schulden des Erblassers, § 1967 Abs. 1 BGB.[75] Zu seinem Eigenvermögen erwirbt der Erbe mit dem Nachlass eine weitere Vermögensmasse. Beide Vermögensmassen verschmelzen miteinander. Haftungsrechtlich können die beiden Vermögensmassen in verschiedenen Situationen jedoch rechtlich getrennt behandelt werden, so dass Gläubiger des Nachlasses vom Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben ausgeschlossen werden können.

[75] Die Haftung des Erben ist allgemein in §§ 19672017 BGB geregelt, zu denen vollstreckungsrechtlich §§ 780785 ZPO hinzutreten.

II. Haftung bis zur Annahme der Erbschaft

 

Rz. 137

Vor der Annahme der Erbschaft[76] haftet der Erbe nicht für eine Nachlassverbindlichkeit, § 1958 BGB. Bis zur Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft besteht ein Schwebezustand.[77] Die ultimative Form der Vermeidung einer Haftung mit dem Privatvermögen stellt die Ausschlagung der Erbschaft dar.[78] Für den Testamentsvollstrecker scheidet diese Möglichkeit jedoch aus, da es sich um ein höchstpersönliches Recht des Erben handelt.[79]

[76] Die Annahme der Erbschaft erfolgt entweder durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht oder durch Verstreichen der Ausschlagungsfrist (sechs Wochen) gemäß § 1944 Abs. 1 BGB. In der Praxis genügen sechs Wochen jedoch häufig nicht, damit sich der Erbe einen umfassenden Überblick über den Bestand des Nachlasses verschaffen kann.
[77] Sog. vorläufiger Erbschaftserwerb, vgl. Grüneberg/Weidlich, § 1942 Rn 2.
[78] Niemand ist gezwungen, eine Erbschaft anzunehmen, auch nicht bei Bedürftigkeit, vgl. LG Aachen, Beschl. v. 4.11.2004 – 7 T 99/04, für einen Sozialhilfeempfänger.
[79] Grüneberg/Weidlich, § 1945 Rn 2; LG Hildesheim, Urt. v. 30.1.2009 – 4 0 307/08. Auch Nachlasspfleger oder Insolvenzverwalter sind nicht ausschlagungsberechtigt.

III. Beschränkbare Erbenhaftung nach der Annahme der Erbschaft

 

Rz. 138

Nach Annahme der Erbschaft kann der Erbe für einen Zeitraum von regelmäßig drei Monaten – sog. Dreimonatseinrede – die Begleichung einer Nachlassverbindlichkeit verweigern, § 2014 BGB, soweit sie über die Sicherung der Zwangsvollstreckung eines Nachlassgläubigers in den übernommenen Nachlass hinausgeht, § 782 ZPO. Eine zeitlich weitergehende Beschränkung ist über die Einleitung des Aufgebotsverfahrens gegen die Nachlassgläubiger nach §§ 2015, 1970 ff. BGB möglich, das innerhalb eines Jahres nach der Annahme der Erbschaft beantragt und zugelassen sein muss, sog. Aufgebotseinrede. Diese Einreden kann auch der verwaltende Testamentsvollstrecker erheben.[80]

 

Rz. 139

Ein besonderes Verweigerungsrecht steht dem Miterben zu. Nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB haftet im Falle der Miterbengemeinschaft zunächst diese und nicht der Erbe mit seinem Vermögen, sog. Teilungseinrede.[81]

[80] Grüneberg/Weidlich, § 2014 BGB. Das gleiche Recht kommt auch dem Nachlasspfleger sowie dem Nachlassverwalter zu.
[81] Prozessual muss sich der Miterbe die Einrede im Urteil nach § 780 ZPO vorbehalten lassen. Weitere Einreden sind die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB sowie die Einrede der Überbeschwerung nach § 1992 BGB, die dann Bedeutung erlangen, wenn die Anordnung einer Nachlassverwaltung oder die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse nicht greifen. Die Einrede kann auch vom Testamentsvollstrecker sowie dem Nachlasspfleger geltend gemacht werden, Grüneberg/Weidlich, § 1990 Rn 6.

IV. Endgültige Haftungsbeschränkung

 

Rz. 140

Die Möglichkeiten, die vorläufig beschränkte Haftung des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern geltend zu machen, sind re...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge