Rz. 45

Eine letztwillige Verfügung verstößt gegen die guten Sitten oder eben nicht. Solange das Pflichtteilsrecht besteht und realisiert werden kann, besteht dafür keine Vermutung. Es spricht also auf dem Boden der Testierfreiheit des Erblassers grundsätzlich erst einmal nichts für eine Sittenwidrigkeit. Zusätzlich ist aber die Rechtsprechung des BGH zur Teilbarkeit letztwilliger Verfügungen in einen wirksamen und einen nichtigen Teil zu berücksichtigen. "Denn einerseits kann eine Verfügung, die nur durch ein Zuviel gegen die guten Sitten verstößt, nicht im Ganzen für nichtig erklärt werden, weil der Wille des Erblassers soweit als möglich zu beachten ist und nicht unbeachtet bleiben kann, soweit ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht vorliegt; andererseits geht es nicht an, eine solche Verfügung insgesamt als wirksam zu behandeln".[87]

 

Rz. 46

Wenn der Erblasser durch seine Kombination erbrechtlicher Gestaltungselemente so "geknebelt" wird, dass die Zielsetzung der Verbesserung des Versorgungsniveaus nicht erreicht werden kann, so bleibt dem Betroffenen gleichwohl das Ausschlagungsrecht nach § 2306 BGB mit dem Ergebnis, dass er den unbelasteten und unbeschwerten Pflichtteil erlangen kann. Das spricht gegen ein Nichtigkeitsergebnis. Dass diese Mittel in nachrangigen Sozialleistungssystemen angerechnet werden, entspricht dem Selbsthilfegrundsatz, der allen nachrangigen Leistungssystemen zugrunde liegt.

[87] BGH v. 17.3.1969 – Az.: III ZR 188/65, NJW 1969, 1343.

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