Rz. 18

Die Sittenwidrigkeit eines Testamentes ist der absolute Ausnahmefall.[45] Die allgemeinen Regeln dazu stehen fest:

Grundsätzlich können alle im Erbrecht vom Gesetz bereitgestellten Gestaltungsinstrumente einschließlich ihrer Kombinationsmöglichkeiten zunächst ausgeschöpft werden.
Eine Einschränkung der Testierfreiheit durch Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB kommt nur in Betracht, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen kann.
Allein die Absicht, durch die Gestaltung des Testaments den gesamten Nachlass nur zugunsten des nicht behinderten Kindes sichern und einen Zugriff der Sozialhilfe- und übrigen Leistungsträger auf den Erbteil des behinderten Familienangehörigen verhindern zu wollen, würde hierfür nicht genügen.
In solchen Fällen muss die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, nicht etwa dessen Rechtfertigung konkret begründet werden.[46]
 

Rz. 19

Mit dem BGH-Urteil zum Pflichtteilsverzicht aus 2011[47] jubelte die Literatur deshalb, dass es endgültig Sicherheit für das Behindertentestament gebe. Und es scheint so, als werde dies durch die Entscheidung des BGH aus 2019 bestätigt:

Zitat

"Allein die … unterstellte Absicht, durch die Gestaltung des Testaments den gesamten Nachlass nur zugunsten des behinderten Sohns zu sichern und einen Zugriff der Sozialhilfe- und übrigen Leistungsträger auf die Erbteile der beiden behinderten Familienangehörigen verhindern zu wollen, würde hierfür nicht genügen."[48]

Ob das die richtige und allgemeingültige Schlussfolgerung ist, muss aus zivilrechtlicher wie aus sozialrechtlicher Sicht bezweifelt werden. Für den konkreten Einzelfall sind eine Reihe von Gestaltungs- und Anwendungsfragen zum Behindertentestament trotz der erbrechtlich gefestigten Rechtsprechung unbeantwortet.

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