Rz. 59

Daneben kann der Pflichtteilsverzicht auch nicht gewollte, nachteilige steuerliche Folgen haben, etwa in einkommensteuerlicher Hinsicht wegen der Gefahren des Verlusts der Abzugsfähigkeit von Versorgungsrechten im Rahmen des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.[153]

 

Rz. 60

In erbschaftsteuerlicher Hinsicht ist zu beachten, dass insbesondere bei sehr großem Vermögen und der Gestaltungssituation des Berliner Testaments (§ 2269 BGB) die gezielte Pflichtteilsgeltendmachung nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils ein probates Mittel sein kann, um damit die Steuerfreibeträge der Kinder in Höhe von immerhin jeweils 400.000 EUR bei diesen auszuschöpfen und andererseits in dieser Höhe den überlebenden Ehegatten als Pflichtteilsschuldner hinsichtlich seiner Erbschaftsteuer zu entlasten, weil diese Pflichtteilsbelastung seinen steuerpflichtigen Erwerb mindert (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Existiert jedoch ein wirksam erklärter Pflichtteilsverzicht, so besteht kein entsprechender Pflichtteilsanspruch mehr und dieser Weg ist verbaut. Als Abhilfemöglichkeiten werden daher vorgeschlagen:[154]

(1) Ein auflösend bedingter Pflichtteilsverzicht, wonach dieser entfällt, wenn der überlebende Ehegatte den Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs auffordert oder der überlebende Ehegatte der Pflichtteilsgeltendmachung nicht widerspricht. Jedoch erscheint die erbschaftsteuerliche Anerkennung nicht gesichert. In beiden Varianten entsteht der Pflichtteilsanspruch erst (wieder) durch ein nach dem Eintritt des Erbfalls eintretendes Verhalten; zudem lassen sich für diese Gestaltung keine anderen Gründe als die der Erbschaftsteuerreduzierung angeben. Es besteht daher die Gefahr, dass dies als unzulässige Umgehung (§ 42 AO) angesehen und daher in der Erfüllung des so wieder aktivierten Pflichtteilsanspruchs eine freigiebige und damit für sich wieder neue steuerbare Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gesehen wird.

(2) Daher wurde der Vorschlag gemacht, eine sog. Naturalobligation zu vereinbaren: Mittels eines beschränkten Pflichtteilsverzichts wird bestimmt, dass der Pflichtteilsanspruch zwar als Rechtsposition, und damit als Causa des Behaltendürfens, zur Entstehung gelangt und mit einer Einziehungsbefugnis (Verlangen-Dürfen) als Rechtsbehelf verbunden wird, die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzbarkeit durch Aufrechnung oder klageweise Geltendmachung jedoch fehlt. Da auch eine Naturalobligation eine Verbindlichkeit ist, soll dies zur Erzielung der beabsichtigten erbschaftsteuerlichen Folgen genügen.[155] Dies soll auch noch durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung begründet werden können, während eigentlich der Schaffung des Rechtsinstituts der Naturalobligation besondere gesetzgeberische Überlegungen zugrunde lagen, wie die nicht gewollte Einklagbarkeit von Spielschulden. Diese Gestaltungsüberlegung hat bislang keine Gefolgschaft gefunden und ist daher in hohem Maße ungesichert.

[153] Dazu J. Mayer, ZEV 2007, 556, 558.
[154] Chr. Hartmann, DNotZ 2007, 812, 813 ff.
[155] Chr. Hartmann, DNotZ 2007, 812, 819.

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