Rz. 183

Die sog. ehebezogene (auch unbenannte) Zuwendung unter Ehegatten ist nach der Rechtsprechung des BGH i.d.R. objektiv unentgeltlich und im Erbrecht grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln, und zwar auch im Hinblick auf etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche.[353] Jedoch hat der BGH im Einzelfall Ausnahmen für möglich gehalten: Wenn die Zuwendung nach den konkreten Verhältnissen als angemessene Alterssicherung des Empfängers oder der nachträglichen Vergütung langjähriger Dienste dient, wobei hier § 1360b BGB zu beachten ist, oder unterhaltsrechtlich geschuldet ist oder wenn sonst eine adäquate Gegenleistung vorliegt, kann eine objektiv angemessene, entgeltliche ehebezogene Zuwendung gegeben sein, so dass ein solcher Ausnahmefall gegeben ist.[354] Die sich daraus zur Pflichtteilsvermeidung ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten dürfen aber keineswegs überschätzt werden.[355] Zudem gibt es nur wenige, diese Ausnahmefälle näher konkretisierende obergerichtliche Entscheidungen. Dies gilt auch für Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Unterhalt: Da Ehegatten einander nicht nur gemäß §§ 1361 Abs. 1 S. 2 BGB und 1578 Abs. 3 BGB bei Trennung und nach der Scheidung, sondern gemäß § 1360 BGB auch in intakter Ehe Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters schulden, kann es aber sein, dass eine unbenannte oder sogar ausdrücklich zur Alterssicherung bestimmte Zuwendung einem entsprechenden Anspruch objektiv entspricht, so dass insoweit keine Schenkung vorliegt und damit auch kein Pflichtteilsergänzungsanspruch.[356] Allerdings hat der BGH weder in dieser noch in einer seiner nachfolgenden Entscheidungen genauer quantifiziert, wo die Grenze zwischen einer als entgeltlich anzusehenden angemessenen Altersvorsorge und einer unentgeltlichen Zuwendung liegt, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen kann.[357] Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass eine umfassende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten erforderlich ist, und zwar auch in die Richtung, ob und in welchem Umfang für die Zukunft des anderen Teils, insbesondere für sein Alter, bereits vorgesorgt wurde.

 

Rz. 184

Erstaunlicherweise wurden zu dieser Frage offenbar kaum Folgeentscheidungen veröffentlicht. Erst in seinem Beschluss vom 16.2.2010 hat sich das OLG Schleswig-Holstein[358] hiermit eingehend auseinandergesetzt. Es ging dabei darum, inwieweit die Zuwendung eines Nießbrauchs im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge als angemessene Alterssicherung angesehen wird und daher nicht dem Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt. In einer ausführlich begründeten Entscheidung hat das Gericht einen Pflichtteilsergänzungsanspruch verneint. Es hat dabei insbesondere auf das nur ganz geringe Einkommen der Witwe abgestellt (ca. 836 EUR monatlich) und darauf, dass diese auf die eigene Nutzung aufgrund des Nießbrauchs, aber auch auf die dadurch ihr noch zusätzlich zufließenden geringen Mieteinnahmen (ca. 350 Kaltmiete pro Monat) zur Sicherung der Altersversorgung angewiesen ist.

[353] BGHZ 116, 167 = NJW 1992, 564; OLG Koblenz ZEV 2002, 460, 461 m. Anm. Kornexl; OLG Schleswig ZEV 2014, 260, 262 zur Finanzierung des gemeinsamen Hauserwerbs.
[354] BGHZ 116, 167, 173 = NJW 1992, 564; siehe auch OLG Schleswig ZErb 2010, 148; OLG Stuttgart ZEV 2011, 384; Herrler MittBayNot 2011, 150; MüKo-BGB/Lange, § 2325 Rn 24.
[355] Kurzer Überblick bei Abele/Klinger/Maulbetsch, Pflichtteilsansprüche reduzieren und vermeiden, § 2 Rn 40 ff.; siehe auch bei Pawlytta, § 7 Rn 49–58.
[356] BGHZ 116, 167, 173 = NJW 1992, 564.
[357] Entscheidungskriterien versucht Klingelhöffer, NJW 1993, 1097, 1100 zu entwickeln; vgl. dazu auch Fischl/Klingelhöffer, NJW-Spezial 2008, Heft 11, 327.

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