Rz. 57

Gegenstand des Pflichtteilsverzichts ist nur eine "jetzige Erbchance", kein Anwartschafts- oder gar Vollrecht.[148] Daher ist auch ein während des Bezugs von Sozialhilfe erklärter unentgeltlicher Verzicht nicht sittenwidrig.[149] Beim Erlass des bereits durch den Erbfall entstandenen Pflichtteilsanspruchs (§ 397 BGB) wird allerdings teilweise vertreten, dass eine Sittenwidrigkeit vorliegt, da hier bereits ein Vermögensrecht besteht.[150]

 

Rz. 58

Auch eine Anfechtung nach dem AnfG oder der InsO scheidet aus, wie sich auch aus der Wertung des § 83 Abs. 1 InsO ergibt. Denn danach steht es dem Erben sogar frei, eine vor oder während des Insolvenzverfahrens angefallene Erbschaft auszuschlagen.[151] Auch ist der Erb- und Pflichtteilsverzicht keinen Obliegenheitsverstoß i.S.d. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, der zum Verlust der Restschuldbefreiungsmöglichkeit führen würde, denn der Pflichtteilsverzicht bezieht sich nur auf die Möglichkeit eines zukünftigen Erwerbs, nicht auf das bereits im Erbgang bereits erworbene Vermögen.[152]

[148] Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 IV 1; Lange, in: FS Nottarp, S. 119, 121 ff.; Zellmann, Dogmatik und Systematik des Erbverzichts und seiner Aufhebung im Rahmen der Lehre von den Verfügungen von Todes wegen, 1990, S. 148; a.A. v. Lübtow, Erbrecht, 1971, I S. 524, II S. 618 ff., der beim gesetzlichen oder testamentarischen Erben von einer rechtlich gesicherten Anwartschaft spricht; ausf. zum Streitstand über das Objekt des Erbverzichts Kornexl, Der Zuwendungsverzicht, 1999, Rn 20 ff.
[149] BGHZ 188, 96 = FamRZ 2011, 472, der dies insbes mit einer verfassungsrechtlich geschützten "negativen Erbenfreiheit" begründet, krit hierzu Leipold ZEV 2011, 528; i.E. ebenso bereits Vorinstanz, OLG Köln ZEV 2010, 85 m. krit. Anm. Armbrüster als Vorinstanz; Vaupel, RNotZ 2009, 497, 508; Littig/J. Mayer, Sozialhilferegress gegenüber Erben und Beschenkten, 1999, Rn 177; ausf v. Proff, ZErb 2010, 206; a.A. offenbar Köbl, ZfSH/SGB 1990, 449, 459; unklar Frank, BWNotZ 1983, 153, 161.
[150] VGH Mannheim NJW 1993, 2953, 2954, anders aber nun BGHZ 188, 96 = FamRZ 2011, 472.
[151] Ihrig, NotBZ 2011, 345, 348; Weidlich, NotBZ 2009, 149, 159 f.; Reul, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, 2012, P Rn 188, 195, 197 m.w.N.; ders., MittRhNotK 1997, 373, 374; ausführlich Ivo, ZErb 2003, 250, 253; jurisPK/Hau § 2346 Rn 8; PWW/Deppenkemper, § 2346 Rn 2; Palandt/Weidlich, § 2346 Rn 19; v. Lübtow, I S. 532; Lange, in: FS Nottarp, S. 119, 127; Haegele, BWNotZ 1971, 39, 162; zur Anfechtbarkeit nach der InsO Reul, MittRhNotK 1997, 373, 374; Uhlenbruck/Mock, § 83 InsO Rn 15 f.; MüKo-BGB/Wegerhoff, § 2346 Rn 5; strenger wohl Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 21 Rn 118c.
[152] Ivo, ZErb 2003, 250, 253; Reul, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, 2012, P Rn 196; Uhlenbruck/Vallender, § 295 InsO Rn 35; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der InsO, 1997, S. 167; BGH ZEV 2009, 469 = NJW-RR 2010, 121 verneint sogar eine Obliegenheitsverletzung, wenn auf die Geltendmachung des bereits entstandenen Pflichtteilsanspruchs verzichtet wird; vgl. auch Nerlich/Römermann/Römermann, § 295 InsO Rn 28.

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