Rz. 94

 

Beispiel 8

Otto Normalerblasser ist ein vorsichtiger Mensch, aber dennoch verheiratet. Er will seiner Ehefrau Ottilie 60.000 EUR zuwenden, aber in doppelter Hinsicht sichergehen: Kommt es zur Scheidung, soll die Zuwendung von einer etwaigen Zugewinnausgleichsforderung abgezogen werden. Besteht die Ehe bis zum Todesfall fort, soll die Anrechnung auf einen etwaigen Pflichtteil der Ehefrau erfolgen, wenngleich einer der Abkömmlinge der Erbe wird.

 

Rz. 95

Bei Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft stellt sich weiter die Frage, ob die Zuwendung nicht auch nach § 1380 BGB auf die Zugewinnausgleichsforderung anzurechnen ist. Dies kann insbesondere auch im Erbfall von Bedeutung sein, wenn es zur sog. güterrechtlichen Lösung kommt. Nach h.M. kann der Erblasser die Anrechnung von Vorempfängen sowohl auf die Zugewinnausgleichsforderung (§ 1380 BGB) als auch auf den Pflichtteil (§ 2315 BGB) anordnen. Nur eine echte Doppelanrechnung ist nicht möglich: Die gleiche Zuwendung kann nicht in voller Höhe beim Zugewinnausgleich und zugleich beim Pflichtteil in Abzug gebracht werden. Eine Verrechnung mit beiden Ansprüchen ist daher nur insoweit möglich, als der Zuwendungswert nicht bereits bei dem anderen aufgebraucht wurde. Jedoch kann der Erblasser die Reihenfolge der vorzunehmenden Anrechnung bestimmen.[198]

 

Rz. 96

 

Praxishinweis

Meist wird eine Anrechnung auf den Zugewinnausgleich genügen, da auch dies bei der güterrechtlichen Lösung die Erben des Zuwendenden als künftige Pflichtteilsschuldner gebührend entlastet. Eine darüber hinausgehende Anrechnung des noch nicht dadurch verbrauchten Wertes auf den Pflichtteil ist dann angezeigt, wenn die Zugewinnausgleichsforderung des Erwerbers zwar gering ist, aber der Zuwendende noch sonstiges, höheres Vermögen hat, das nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt (voreheliches Vermögen, privilegiertes Vermögen i.S.v. § 1374 Abs. 2 BGB).

 

Bewertung

Pflichtteilsrecht: Eine Anrechnungsbestimmung ist bei jeder Zuwendung dringend anzuraten.[199] Sie führt zu keiner Erhöhung des Pflichtteils der anderen Berechtigten und wirkt meistens stärker pflichtteilsreduzierend als die bloße Ausgleichungsanordnung.

Anderes: Nachteilige Auswirkungen sind nicht bekannt.

[198] Staudinger/Otte, § 2315 Rn 59 f.; Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 2 Rn 300; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 58; eingehend Bonefeld, ZErb 2002, 189, 190 ff.
[199] Siehe v. Dickhuth-Harrach, in: FS Rheinisches Notariat, S. 185, 192; so bereits Schramm, BWNotZ 1959, 227, 229.

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