Rz. 52

Der Nachteil des Erbverzichts ist, dass der Verzichtende bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils anderer Pflichtteilsberechtigter maßgeblichen Erbteils nach § 2310 S. 2 BGB nicht mitgezählt wird (siehe Rdn 5 f.). Daher führt der Erbverzicht zu einer i.d.R. nicht gewollten Erhöhung des Pflichtteils anderer Pflichtteilsberechtigten. Bei einem auf das Pflichtteilsrecht beschränkten Verzicht ist dies demgegenüber anders: Die Vorschriften der §§ 2310 S. 2, 2316 Abs. 1 S. 2 BGB gelten hier nicht, so dass bei einem reinen Pflichtteilsverzicht der Verzichtende bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblichen Erbteils aller Pflichtteilsberechtigten genauso berücksichtigt wird wie diejenigen, die allein durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind oder die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt wurden.[131] Daher kann der Erbverzicht mitunter geradezu kontraproduktiv wirken und ist i.d.R. kein geeignetes Mittel, um die Erbfolge zu gestalten. Daher wird in der Praxis regelmäßig die Empfehlung "auf den Erbverzicht verzichte" befolgt, weshalb der Pflichtteilsverzicht dort der Regelfall ist.[132] Nur in besonderen Situationen, etwa wenn alle Pflichtteilsberechtigten einen Erbverzicht erklären, oder im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung,[133] wenn es mit Eintritt der Scheidung oder durch die Vorwirkungen nach § 1933 BGB wenig später ohnehin durch das Ausscheiden des verzichtenden Ehegatten zu einer Erhöhung des Erb- und Pflichtteils der anderen Angehörigen kommen wird, kann der Erbverzicht angezeigt sein. Ansonsten wird regelmäßig dem Pflichtteilsverzicht der Vorzug gegeben,[134] ja gerade bei größeren lebzeitigen Zuwendungen an einen Pflichtteilsberechtigten gilt: "Der Pflichtteilsverzicht ist Pflicht." Ein weiterer Vorteil des Pflichtteilsverzichts ist, dass dieser hinsichtlich seiner Rechtsfolgen sehr flexibel ausgestaltet und damit an die Besonderheiten des Einzelfalls angepasst werden kann (siehe Rdn 26). Kaum erörtert wird aber, ob nicht auch der Pflichtteilsverzicht unliebsame Nebenwirkungen haben kann.

[131] Ganz h.M., vgl. etwa Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 77 ff. m. zahlr. Nachw.; Soergel/Dieckmann, § 2310 Rn 11; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 VII 2 a Fn 201; a.A. nur Michalski, BGB – Erbrecht, Rn 484: analoge Anwendung des § 2310 S. 2 BGB, wenn neben dem Pflichtteilsverzicht der verzichtende Abkömmling auch noch enterbt wird; Staudinger/Otte, § 2310 Rn 20 f.; differenzierend Rheinbay, Erbverzicht – Abfindung – Pflichtteilsergänzung, 1983, S. 158 ff.
[132] Vgl. etwa Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 79; siehe auch Thoma, ZEV 2003, 278, 279 f.
[133] Keim, FPR 2006, 145, 146.
[134] Zur praktischen Bedeutung des Pflichtteilsverzichts anschaulich Bengel, in: Scherer, MAH Erbrecht, § 31 Rn 34 ff.

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