a) Grundsätzliches

 

Rz. 97

 

Beispiel 9

Otto Normalerblasser hat im Grundfall (siehe Rdn 65) noch keine Verfügung von Todes wegen errichtet und möchte daher, dass bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge der Erbteil des Sohnes Michael um den erworbenen Bauplatz "gekürzt" wird.

 

Rz. 98

Die Erbausgleichung (§§ 2050 ff. BGB) erfolgt bei der Erbauseinandersetzung, soweit gesetzliche Erbfolge eintritt oder eine gewillkürte, die dieser entspricht (§ 2052 BGB), und dient als Berechnungsmaßstab dafür, was jedem Miterben wertmäßig am zu verteilenden Nachlass zusteht. Hat ein Erbe bereits als Vorempfang mehr erhalten, als seinem Erbteil am Restnachlass entspricht, so ist er nicht zur Zurückzahlung verpflichtet (§ 2056 S. 1 BGB). Die Ausgleichung erfolgt kollektiv durch Einbeziehung aller zur Erbfolge berufenen Abkömmlinge und durch rechnerische Hinzurechnung sämtlicher an diese bereits geleisteten Vorempfänge. Über § 2316 BGB (Ausgleichspflichtteil) hat die Erbausgleichung aber auch direkten Einfluss auf die Pflichtteilsverteilung, ja sogar auch auf die Höhe des Pflichtteils (Fernwirkung der Ausgleichung): Weil alle ausgleichungspflichtigen Vorempfänge in die kollektiv vorzunehmende Ausgleichungsberechnung einbezogen werden und dem Gesamtnachlass hinzuzurechnen sind, vermindert die Ausgleichungsverpflichtung nach § 2316 Abs. 1 BGB zwar den Pflichtteilsanspruch des Bedachten, erhöht aber gleichzeitig im selben Maß den der anderen, pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge.

Die Ausgleichung verringert also grundsätzlich nicht die Summe der insgesamt vom Erben zu zahlenden Pflichtteilslast, sondern führt nur zu einer Umverteilung der den einzelnen Pflichtteilsberechtigten zustehenden Pflichtteilsansprüche, und zwar vom ausgleichspflichtigen hin zum ausgleichsberechtigten Abkömmling.[200] Dies kann allerdings auch für einen familienfremden Erben von Vorteil sein, so etwa, wenn nur der ausgleichungspflichtige Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, die übrigen abstrakt Pflichtteilsberechtigten, die von der Ausgleichung profitieren würden, aber wegen einer Pflichtteilsentziehung, eines Pflichtteilsverzichts, einer Pflichtteilsunwürdigkeit oder wegen Erbausschlagung nicht mehr konkret pflichtteilsberechtigt sind.[201]

 

Rz. 99

Die durch die Ausgleichungspflicht eintretende Pflichtteilsreduzierung bei dem durch die lebzeitige Zuwendung Begünstigten ist im Allgemeinen wesentlich schwächer als bei der direkter wirkenden Pflichtteilsanrechnung (§ 2315 BGB). Dies ergibt sich bereits aus einer Betrachtung der für die Berechnung des Ausgleichspflichtteils zu verwendenden sog. Planck’schen Formel:[202]

Dabei ist P der Ausgleichungspflichtteil, N der bei der gesetzlichen Erbfolge auf die ausgleichungspflichtigen Abkömmlinge entfallende Nachlassteil (also bereinigt um den auf den Ehegatten oder andere nicht ausgleichungsberechtigte Personen entfallenden Teil), Z die Summe sämtlicher ausgleichungspflichtiger Zuwendungen der Abkömmlinge, Q die Zahl der mitzuzählenden Abkömmlinge und T der Wert der von dem betreffenden Abkömmling auszugleichenden Zuwendung.

 

Rz. 100

Haben auch andere Abkömmlinge ausgleichspflichtige Zuwendungen erhalten, so partizipiert auch der zur Ausgleichung Verpflichtete, weil durch die Vergrößerung der "Einwurfmasse" (= Zähler) sich sein Vorempfang nicht so stark pflichtteilsmindernd auswirkt. Im Gegensatz zur Anrechnung wird der Nenner zunächst nicht um den Faktor "zwei" erhöht, sondern der Vorempfang zunächst vom Ausgleichserbteil abgezogen und dann das Ganze erst durch zwei geteilt. Dies ergibt im Regelfall eine für den Ausgleichspflichtigen geringere "Reduzierung" als die Anrechnung.

[200] MüKo-BGB/Lange, § 2315 Rn 3; Soergel/Dieckmann, § 2316 Rn 3; Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 2 Rn 284.
[201] Soergel/Dieckmann, § 2316 Rn 3.
[202] Staudinger/Haas, 2006, § 2316 Rn 30 im Anschluss an Planck/Greiff, § 2316 Anm. 2 d; vgl. auch Staudinger/Otte, § 2316 Rn 18.

b) Ausgleichungsvoraussetzungen

 

Rz. 101

Die Berechnung des Ausgleichspflichtteils (§ 2316 BGB) basiert auf einer "hypothetischen Erbausgleichung", setzt also gerade nicht voraus, dass es tatsächlich zu einer Erbauseinandersetzung zwischen den Abkömmlingen kommt.

aa) Ausgleichungsfähigkeit

 

Rz. 102

Gegenstand der Ausgleichung[203] können nur Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden sein. Eine Zuwendung erfordert, dass ein Vermögensvorteil des Erblassers in das Vermögen eines Abkömmlings überführt wird. Dabei muss es sich nicht um eine Schenkung handeln, wie gerade das Beispiel der Ausstattung zeigt (§ 1624 BGB). Die Zuwendung muss unter Lebenden erfolgt sein. Bei Zuwendungen auf den Todesfall zieht dabei § 2301 BGB die Grenze.

 

Rz. 103

Ausgleichungsfähig sind grundsätzlich nur die von dem betreffenden Erblasser stammenden Zuwendungen. Eine Ausnahme macht die h.M. beim Berliner Testament (§ 2269 BGB) und lässt dort eine Ausweitung des Erblasserbegriffs bei Anwendung des § 2052 BGB zu: Bei der Ausgleichung im Schlusserbfall wären daher auch die vom Erstverstorbenen gemachten Zuwendungen zu berücksichtigen.[204] Jedoch hat ...

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