Rz. 123

In seinem Urt. v. 4.12.1980 definierte der nunmehr zuständige Zivilsenat (IVa) des BGH den Ereignisbegriff i.S.d. Ziff. 1.1 S. 1 AHB genau entgegengesetzt. Für die zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes komme es darauf an, wann die Handlung oder Unterlassung begangen worden sei, für die der Versicherte von dem Dritten in Anspruch genommen werde.[157] Im konkreten Fall ging es seinerzeit um die Betriebshaftpflichtversicherung für Sachschäden durch unsachgemäßen Gebrauch von Pflanzengift. Dem BGH zufolge kam es darauf an, ob das Versprühen des Giftes in die Versicherungszeit fiel, und nicht darauf, wann dieses Gift wirkte. Der BGH stellte sich damit ausdrücklich gegen das BGH-Urteil aus dem Jahr 1957 und in die Tradition einer Entscheidung des Reichsgerichtes aus dem Jahr 1943.[158] Als Reaktion auf das Urteil ersetzten die Versicherer den ­Begriff "Ereignis" in den AHB durch "Schadenereignis".

Die Instanzgerichte übernahmen die geänderte Rechtsprechung des BGH, und zwar sowohl hinsichtlich der früheren Fassung der AHB mit "Ereignis"[159] als auch ausdrücklich bei Verwendung des Begriffes "Schadenereignis".[160] Das OLG Nürnberg gab in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 zur Problematik der Nachhaftungsversicherung bei Strahlenschäden infolge ärztlicher Behandlung der Verstoß- oder Kausalereignistheorie den Vorzug.[161] Dem dort entschiedenen Fall lagen zwar noch die AHB in der alten Fassung zugrunde, in denen Versicherungsschutz gewährt wurde für ein während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenes "Ereignis", das einen Schaden zur Folge hat, und nicht für ein "Schadenereignis". Geht man aber mit dem BGH und dem OLG Nürnberg bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen vom Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aus, so spricht viel dafür, unabhängig von der Terminologie "Ereignis" oder "Schadenereignis" den Verstoß und nicht den Schadeneintritt als maßgeblichen Zeitpunkt für den Versicherungsschutz zugrunde zu legen.[162]

[157] BGHZ 79, 76 (89).
[158] RGZ 171, 43.
[159] OLG Hamm VersR 1985, 463.
[160] OLG Celle VersR 1997, 609.
[161] OLG Nürnberg MedR 2001, 463.
[162] Ebenso Dahm, MedR 2001, 465.

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