Rz. 36

Aus der Haftpflichtversicherung des Arztes oder Krankenhausträgers erwirbt der Patient grundsätzlich keinen Direktanspruch gegen den Versicherer. Eine Ausnahme bilden die Probandenversicherung (siehe Rdn 35 f.) und die gesetzlichen Regeln des § 115 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VVG n.F. Verletzt der Arzt bzw. Krankenhausträger seine Sorgfaltspflichten gegenüber dem Patienten, so haftet er dem Patienten aus bürgerlichem Vertrags- (§ 76 Abs. 4 SGB V, §§ 280, 276, 278 BGB) und/oder Deliktsrecht (§§ 823, 831 BGB). Der Versicherungsbedarf der Behandlerseite ist abhängig davon, für welche Pflichtverletzungen der einzelne Leistungserbringer jeweils haftet.

 

Rz. 37

Vertragliche und deliktische Haftung hat die Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht bei den Anspruchsvoraussetzungen schon bisher praktisch einheitlich angewandt. An den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB stellt der BGH die allgemein sehr hohen Anforderungen, so dass die Unterschiede zwischen § 278 BGB und § 831 BGB weitgehend aufgehoben sind.[65] Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und das 2. Schadensersatzrechts-Änderungsgesetz, die am 1.1.2002 bzw. am 1.8.2002 in Kraft getreten sind, verlieren sich auch die Unterschiede auf der Rechtsfolgenseite. Die unterschiedlichen Verjährungsfristen wurden beseitigt und es gilt nunmehr eine einheitliche allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Schmerzensgeld kann nicht mehr nur bei schuldhaften deliktischen Rechtsverletzungen verlangt werden, sondern auch aus Vertrags- und Gefährdungshaftung (§ 253 Abs. 2 BGB). Der Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nützt dem Geschäftsherrn bei gleichzeitiger vertraglicher Haftung über § 278 BGB nichts mehr. Das Patientenrechtegesetz mit dem Regelungswerk der §§ 630 a bis 630 h BGB regelt die Vertragspflichten der Behandler- und Patientenseite, wobei die Beweislastregelung des § 630 h BGB auch für die deliktische Haftung gilt.

 

Rz. 38

Diese Haftungsregeln gelten auch für das medizinische Versorgungszentrum (siehe unten Rdn 51 f.) und die Integrierte Versorgung (siehe unten Rdn 57 f.).

Die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses deckt nicht Haftpflichtansprüche aus Arbeitsunfällen im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß SGB VII, da insoweit der gesetzliche Unfallversicherungsschutz greift.

[65] Pauge, Rn 110.

a) Krankenhausbehandlung

 

Rz. 39

Die konkrete Ausgestaltung des Behandlungsvertrages bestimmt, ob der Patient Ansprüche gegen den Arzt und/oder den Krankenhausträger geltend machen kann. Die Darstellung beschränkt sich an dieser Stelle bewusst auf die Grundzüge des Haftungsrechtes, soweit es nämlich den Versicherungsschutz betrifft.[66]

[66] Eingehend zu juristischen Zweifelsfragen der Vertragsverhältnisse und Passivlegitimation im Prozess Steffen/Pauge, Rn 6 ff.; Bergmann/Kienzle-Bergmann/Wever, S. 6 ff.; Hübner, ZfV 1990, 55 (60 ff.); Reiling, MedR 1995, 443; Hart, Jura 2000, 14.

aa) Totaler Krankenhausaufnahmevertrag

 

Rz. 40

Der totale Krankenhausaufnahmevertrag ist beim Kassenpatienten der Regelfall. Der Krankenhausträger schuldet danach eine umfassende Versorgung des Patienten. Wegen der zentralen Bedeutung der geschuldeten Heilbehandlung finden vorwiegend die Vorschriften des Dienstvertrages Anwendung. Der Krankenhausträger haftet vertraglich und deliktisch unmittelbar gegenüber dem Patienten, und zwar sowohl für eigenes Organisationsverschulden als auch für Pflichtverletzungen durch die Krankenhausmitarbeiter bis hin zum Chefarzt.[67] Die Krankenhausmitarbeiter haften lediglich deliktisch für eigene Fehler.

[67] BGH NJW 1988, 2298 (2299).

bb) Totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag

 

Rz. 41

Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag schließt der – i.d.R. selbstzahlende – Patient neben dem Krankenhausaufnahmevertrag zusätzlich einen Vertrag über die ärztliche Behandlung mit dem selbst liquidierenden Arzt. Die Konstruktion ist heute bei der Vereinbarung von Wahlleistungen die Regel. Für ärztliche Behandlungsfehler haften sowohl der Krankenhausträger als auch der Arzt gesamtschuldnerisch aus Vertrag.[68] Die deliktische Haftung entspricht derjenigen beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag.

[68] BGHZ 65, 63 (68); BGH NJW 1998, 1778 (1779).

cc) Gespaltener Arzt-Krankenhaus-Vertrag

 

Rz. 42

Beim gespaltenen Arzt-Krankenhaus-Vertrag vereinbart der Patient mit dem Krankenhausträger die Krankenhausversorgung und mit dem liquidationsberechtigten Arzt die ärztliche Behandlung. Ein typischer Anwendungsfall ist die Belegarztbehandlung. Vertraglich und deliktisch haften der (Beleg-)Arzt für die vereinbarte fachärztliche Leistung und der Krankenhausträger für die Unterbringung, Pflege und die sonstige ärztliche Betreuung.[69] Der Träger eines Belegkrankenhauses hat für die Fehler seines Personals einzustehen, solange diese nicht wegen einer besonderen ärztlichen Weisungskompetenz oder Übernahme der Geburtsleitung durch den Belegarzt diesem zugerechnet werden können.[70] Nach Hinzuziehung eines Belegarztes zur Geburt untersteht die Hebamme seinem Weisungsrecht. Fehler der Hebamme sind dann dem Belegarzt zuzurechnen.[71] Die eigene deliktische Haftung der Krankenhausmitarbeiter bleibt unb...

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