Rz. 74

BGH, Urt. v. 15.9.2015 – VI ZR 475/14, VersR 2015, 1522

Zitat

ZPO § 287 Abs. 1; BGB §§ 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 632 Abs. 1; StVG § 7 Abs. 1

Zur Ermittlung der erforderlichen Kosten für die Beseitigung von Fahrbahn-verschmutzungen ("Ölspur").

a) Der Fall

 

Rz. 75

Der klagende Freistaat verlangte von dem beklagten Haftpflichtversicherer im Wege des Schadensersatzes die restlichen Kosten für die Beseitigung einer Ölspur, die dadurch entstand, dass ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Traktor auf einer (regennassen) Staatsstraße auf einer Fahrbahnlänge von etwa 460 Metern aufgrund eines Defekts Getriebeöl verlor. Die von der Polizei informierte Straßenmeisterei Z. nahm durch den Straßenwärter B. die Sicherung des Straßenbereichs vor und beauftragte die Firma Ba. mit der maschinellen Reinigung des betroffenen Fahrbahnabschnitts. Diese beseitigte noch am selben Tag die Fahrbahnverunreinigungen in Anwesenheit des Zeugen B., der daraufhin ein Abnahmeprotokoll unterzeichnete.

 

Rz. 76

Die Firma B. stellte dem staatlichen Bauamt S., Straßenmeisterei Z., für ihre Leistungen einen Betrag in Höhe von 6.539,40 EUR in Rechnung. Die vom Kläger hierauf in Regress genommene Beklagte zahlte vorgerichtlich einen Betrag von 3.256,35 EUR. Mit seiner vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrags von 3.283,05 EUR.

 

Rz. 77

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 78

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Das Berufungsgericht war zutreffend und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass dem Kläger wegen der Verunreinigung der Staatsstraße dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zustand. Hinsichtlich der Höhe der ersatzfähigen Reinigungskosten hatte das Berufungsgericht jedoch – wie die Revision mit Recht geltend macht – keine hinreichenden Feststellungen getroffen.

 

Rz. 79

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist zwar in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Einer solchen Überprüfung hielt das Berufungsurteil nicht in vollem Umfang stand.

 

Rz. 80

Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht aus Rechtsgründen allerdings nicht gehalten, über die getroffenen Feststellungen hinaus das von der Beklagten beantragte Sachverständigengutachten zur Erforderlichkeit und Angemessenheit der durchgeführten Reinigungsmaßnahmen einzuholen.

Das Berufungsgericht war bei seiner Beurteilung zutreffend von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ausgegangen.

 

Rz. 81

Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Herstellung gemäß § 249 Abs. 1 BGB den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Aufgrund der sich daraus ergebenden Ersetzungsbefugnis hat er die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Die Schadensrestitution ist dabei nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt; der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen. Ihr Ziel ist vielmehr, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne Schadensereignis entspricht.

 

Rz. 82

Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Nach diesem Wirtschaftlichkeitsgebot hat der Geschädigte den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, d.h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Verursacht von mehreren zu einem Schadensausgleich führenden zumutbaren Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt. Nur der für die günstigere Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich.

 

Rz. 83

Wird eine Staatsstraße derart verunreinigt, d...

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