Rz. 1

BGH, Urt. v. 6.11.2007 – VI ZR 220/06, zfs 2008, 132 = VersR 2008, 230

Zitat

BGB § 249; StVG §§ 7, 8 Nr. 3; PflVG § 3 Nr. 1

Der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 3 StVG gilt nicht für Kosten, die anlässlich eines Verkehrsunfalls dadurch entstehen, dass die beförderte Sache beseitigt werden muss, weil sie eine andere beeinträchtigt.

a) Der Fall

 

Rz. 2

Zwischen den Parteien bestand Streit über die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Lkw für die Kosten der Entsorgung von Transportgut nach einem Verkehrsunfall.

 

Rz. 3

Der bei der Beklagten versicherte Lkw geriet am 17.3.2003 auf der BAB A 81 in Brand, nachdem ein Reifen geplatzt war. Er brach sodann auseinander. Die Ladung des Fahrzeugs, die aus 25 t Orangen bestand, wurde durch den Brand weitgehend unbrauchbar und blockierte zusammen mit dem beschädigten Lkw die Fahrbahn. Die Klägerin ließ die Fahrbahn räumen und sodann die Orangen durch Verbrennen entsorgen.

 

Rz. 4

Das Landgericht hat der Klage auf Erstattung der Entsorgungskosten stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 5

Das Berufungsgericht bejahte einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 7 StVG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 Abs. 2 StVZO, § 3 Nr. 1 PflVG. Infolge der – unstreitig – vom Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Eigentumsverletzung habe die Klägerin die Orangen entsorgen müssen. Die Entsorgungskosten seien ein Schaden im Sinne des § 249 BGB. Zu ersetzen seien die erforderlichen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten dürfe. Da die Orangen unverwertbar bzw. unverkäuflich gewesen seien, habe die Klägerin entsprechend dem mutmaßlichen Willen des Versicherungsnehmers der Beklagten das Gut vernichten dürfen.

 

Rz. 6

Das Urteil hielt den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

Die Beklagte haftete für die Kosten der Verbrennung der Orangen nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG. Die zur Behebung der Sachbeschädigung, d.h. zur Wiederherstellung der Benutzbarkeit der Bundesautobahn, erforderlichen Kosten umfassen neben den nicht mehr im Streit befindlichen Kosten für Reinigung der Straße, Aufnahme und Abtransport der die Fahrbahn blockierenden Ladung auch die Kosten der Vernichtung der unstreitig zerstörten Ladung.

 

Rz. 7

Der Brand des Lkw während der Fahrt auf der Autobahn war Folge eines Betriebsvorgangs, dessen Auswirkungen eine Sache der Klägerin, nämlich die Bundesautobahn (§ 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 FStrG), beschädigten. Der Schadensbegriff des § 7 StVG entspricht dem des BGB. Danach ist eine Sache beschädigt, wenn entweder ihre Substanz nicht unerheblich verletzt oder ihre Brauchbarkeit zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist, ohne dass zugleich in ihre Substanz eingegriffen werden müsste. Nach den von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen tatsächlichen Umständen war die Bundesautobahn an der Unfallstelle durch die Ladung blockiert und musste gereinigt werden, bevor sie wieder dem Verkehr übergeben werden konnte. Dementsprechend hat die Beklagte inzwischen die zur Wiederherstellung der Benutzbarkeit der Bundesautobahn erforderlichen Kosten für die Reinigung der Straße und den Abtransport der die Fahrbahn blockierenden Ladung beglichen.

 

Rz. 8

Schadensrechtlich sind die Entsorgungskosten jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die zerstörte Ladung die Bundesautobahn verschmutzte und blockierte, nicht als Folgeschäden der Eigentumsverletzung an der transportierten Sache (Zerstörung der Orangen) einzustufen, sondern als – allerdings ursächlich in der Zerstörung der transportierten Sache begründete – Folgekosten aus der bei der Klägerin eingetretenen Eigentumsverletzung an der Bundesautobahn. An der Adäquanz, d.h. der Eignung des zum Schaden führenden Ereignisses im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen. Die durch den Betrieb des Fahrzeugs zerstörte Ladung blockierte die Fahrbahn; zur Wiederherstellung der Brauchbarkeit der Fahrbahn war die Ladung aufzunehmen, abzutransportieren und – da zerstört und damit wertlos – zu entsorgen. Erst dann war der Schaden beseitigt und der vor dem schädigenden Ereignis bestehende Zustand wieder hergestellt. Eine weitere Verwahrung hätte, weil letztlich nur die Vernichtung der Ware in Frage kam, nur überflüssige Kosten verursacht. Bei den getroffenen Maßnahmen ging es mithin darum, den zur Beseitigung der Unfallfolgen erforderlichen Aufwand und damit den Schaden zu begrenzen, für den die Beklagte als Versicherer des Fahrzeugs einzustehen hatte.

 

Rz. 9

Entgegen der Auffassung der Revision war die Haftung gemäß § 7 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG nicht deshalb nach § 8 Nr. 3 StVG ausgeschlossen, weil di...

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