Rz. 63

Für das Verhältnis mehrerer einstweiliger Anordnungen zueinander war früher § 18 Nr. 1 RVG a.F. zu beachten, wonach in Familiensachen mehrere einstweilige Anordnungen anlässlich derselben Hauptsache untereinander als eine Angelegenheit galten, wenn sie zur selben Buchstabengruppe des § 18 Nr. 1 RVG a.F. gehörten. Danach waren also mehrere einstweilige Anordnungen anlässlich derselben Hauptsache als eine gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG zusammenzufassen, so dass die Gebühren nur einmal entstehen konnten. Im Gegenzug wurden dafür aber die Werte der jeweiligen einstweiligen Anordnungsverfahren zusammengerechnet. Das galt selbst dann, wenn derselbe Gegenstand betroffen war. Eine gleich lautende Regelung fand sich in § 18 Nr. 2 RVG a.F. für einstweilige und vorläufige Anordnungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

 

Rz. 64

Da einstweilige Anordnungsverfahren nach dem FamFG auch ohne Hauptsacheverfahren zulässig sind (§ 51 Abs. 3 S. 1 FamFG) und es daher in vielen Fällen an der "Klammerwirkung" des Hauptsacheverfahrens fehlen würde, passte diese Regelung nicht mehr. Der Gesetzgeber hatte daher § 18 Nr. 1 und 2 RVG a.F. ersatzlos aufgehoben.

 

Rz. 65

In Familiensachen sind also einstweilige Anordnungsverfahren nach den §§ 49 ff. FamFG jeweils eigene gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG, in denen der Anwalt seine Gebühren gesondert abrechnen kann.

 

Beispiel 51: Mehrere einstweilige Anordnungen während desselben Verfahrens, isoliertes Verfahren

In einem isolierten Umgangsrechtsverfahren erlässt das Gericht eine befristete einstweilige Anordnung zu vorläufigen Besuchskontakten. Nach Auslauf dieser einstweiligen Anordnung ergeht später eine weitere einstweilige Anordnung zum Besuchsrecht. Über Hauptsache und einstweilige Anordnungen wird verhandelt.

Beide einstweiligen Anordnungen sind selbstständig abzurechnen. Ausgehend von dem hälftigen Hauptsachewert (1.500,00 EUR) ergibt sich folgende Berechnung:

 
I. Erstes einstweiliges Anordnungsverfahren (Wert: 1.500,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   149,50 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   138,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 307,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,43 EUR
Gesamt   365,93 EUR
II. Zweites einstweiliges Anordnungsverfahren (Wert: 1.500,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   149,50 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   138,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 307,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,43 EUR
Gesamt   365,93 EUR
 

Beispiel 52: Mehrere einstweilige Anordnungen während desselben Verfahrens, Verbund

Im Scheidungsverbundverfahren ergeht zunächst ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Anordnung auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in Höhe von 1.860,00 EUR. Anschließend wird eine einstweilige Anordnung zum Unterhalt auf künftige Zahlungen in Höhe von 250,00 EUR erlassen und später eine einstweilige Anordnung zum Umgangsrecht, über die jeweils verhandelt wird.

Nach früherem Recht wäre von folgenden Werten auszugehen:

 
 

Verfahrenskostenvorschuss, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG a.F.

i.V.m. § 3 ZPO
1.860,00 EUR
  Umgangsrecht, § 24 RVG a.F. 500,00 EUR
  Unterhalt, § 53 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. (6 x 250,00 EUR) 1.500,00 EUR

Nach früherem Recht wären die drei Anordnungsverfahren nach § 18 Nr. 1 RVG a.F. zu einer Gebührenangelegenheit zusammenzufassen gewesen, da sie in derselben Buchstabengruppe (nämlich § 18 Nr. 1 Buchst. b) RVG a.F.) aufgeführt waren. Die Werte der einzelnen Anordnungsverfahren sind allerdings zusammenzurechnen.

Seit Inkrafttreten des FGG-ReformG ist jedes einstweilige Anordnungsverfahren eine eigene selbstständige Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, so dass die Gebühren jeweils gesondert anfallen.

Die Werte ergeben sich jeweils aus § 41 FamGKG. Ausgehend von dem hälftigen Hauptsachewert wäre wie folgt zu rechnen:

 
I. Einstweiliges Anordnungsverfahren Kostenvorschuss
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   195,00 EUR
  (Wert: 1.860,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 215,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   40,85 EUR
Gesamt   255,85 EUR
II. Einstweiliges Anordnungsverfahren Unterhalt (12 x 250,00 EUR : 2)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   149,50 EUR
  (Wert: 1.500,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   138,00 EUR
  (Wert: 1.500,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 307,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,43 EUR
Gesamt   365,93 EUR
III. Einstweiliges Anordnungsverfahren Umgangsrecht (Wert: 1.500,00 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   149,50 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   138,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 307,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,43 EUR
Gesamt   365,93 EUR
 

Rz. 66

Mehrere Angelegenheiten sind auch dann gegeben, wenn in einer Gewaltschutzsache eine einstweilige Anordnung ergeht und später die Verlängerung der ...

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