Rz. 64

Im Namen des Volkes

Urteil

Das Amtsgericht München erlässt durch Richter am Amtsgericht

[…]

in dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte(r):

[…]

gegen

Rechtsschutz-Versicherungs-AG, […], vertr. durch den Vorstand […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte(r):

Rechtsanwälte […]

Berlin, Gz.: […]

wegen Forderung

am 26.10.2006 ohne mündliche Verhandlung

folgendes

Endurteil gemäß § 495a ZPO

I. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber dem Klägervertreter auf Zahlung der verbleibenden Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 406,01 freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagtenpartei.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf EUR 406,01 festgesetzt.

[…]

Richter am Amtsgericht

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Klage ist zulässig, im Hauptantrag (Zahlungsantrag) unbegründet, im Hilfsantrag (Freistellungsantrag) begründet.

Mangels tatsächlicher Bezahlung der Rechnungssumme an den Rechtsanwalt besteht gegenüber der Beklagten als Rechtsschutzversicherung aus rechtlichen Gründen nur ein Freistellungsanspruch, kein Zahlungsanspruch (vgl. Kommentar Prölss/Martin, WG, 27. Auflage, § 5 ARB 94, Rn 13). Die von Klägerseite angeführte Entscheidung BGH NJW 2004, 1868 ff., ändert an dieser Beurteilung nichts, da es vorliegend nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen Anspruch aus Versicherungsvertrag geht. Die Ausführungen des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 27.9.2005 hierzu sind zutreffend.

Hingegen ist der mit dem Hilfsantrag vom 20.10.2005 verfolgte Freistellungsanspruch gemäß den §§ 21 Abs. 1 und Abs. 4 i.V.m. 24 Abs. 1a, 2 und 3 ARB 94 begründet.

Die vom anwaltlichen Vertreter im Rahmen des Bußgeldverfahrens 810/04/0029939/4 wegen Geschwindigkeitsüberschreitung vom 30.7.2004 vorgenommene Gebührenbestimmung entspricht billigem Ermessen.

Die Anforderungen gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG an die Billigkeit der Gebührenbestimmung sind gewahrt. Gemäß dieser Vorschrift hat sich die Bestimmung an allen Umständen des Einzelfalles, insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers zu orientieren.

1. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 14 RVG im konkret vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass sich die Parteien um die Erstattung der Differenz zwischen der vom klägerischen Rechtanwalt angesetzten Mittelgebühr in den Nummern 5100, 5103, 5109 und 5110 VV RVG und den von der Beklagten als angemessen erachteten und bereits erstatteten Gebühren unterhalb der Mittelgebühr streiten.
2. Grundsätzlich soll die Mittelgebühr, welche sich rechnerisch durch Addition von Mindestgebühr und Höchstgebühr und anschließendem Dividieren durch 2 ergibt, in allen "Normalfällen" gelten. Ein "Normalfall" in diesem Sinne liegt vor, wenn die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Mittelgebühr nicht grundsätzlich als konkrete Gebühr angenommen werden darf. Es sind vielmehr in jedem Einzelfall alle konkret erhöhenden und vermindernden Umstände zu ermitteln (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 17. Auflage, § 14 Rn 10).
3. Vor diesem Hintergrund ist zunächst den Ausführungen des Beklagtenvertreters aus dem Schriftsatz vom 6.9.2006 zuzustimmen, wonach die gutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 6.7.2006 – zumindest bezüglich des ein oder anderen Bemessungskriteriums – nicht klar herausarbeitet, warum die abgerechnete Mittelgebühr gerade in Abgrenzung zu einer von Beklagtenseite vorgetragenen unterdurchschnittlichen Bewertung gerechtfertigt sein soll. Das Gutachten grenzt in erster Linie zu einer hier nicht streitgegenständlichen (theoretischen) überdurchschnittlichen Bewertung ab.
4. Jedoch hält die Ansetzung der Mittelgebühr in den fraglichen Gebührennummern 5100, 5103, 5109 und 5110 VV RVG einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung aller relevanten Gesichtspunkte und Umstände des Einzelfalles sehr wohl stand. Dies aus folgenden Gründen:
a)

Die Ausführungen des Beklagtenvertreters zu einem zeitlichen Aufwand (Kriterium "Umfang der anwaltlichen Tätigkeit") von lediglich "ca. 5 Minuten" (Ziffer 5100 VV RVG) sind nicht nachvollziehbar. Es mag sein, dass die Lektüre eines Anhörungsbogens im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren zeitlich wenig aufwendig ist. Gleichzeitig dürfen jedoch das Erfordernis und die Durchführung einer Erörterung der Sach- und Rechtslage zwischen Versicherungsnehmer und Rechtsanwalt ...

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