Rz. 46

Auch unsachliche Kritik des Sachverständigen kann die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Zitat

"Gemäß § 406 I 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Richter kann gemäß § 412 I und II ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend bei dem vom Familienrichter mit der Erstattung des Gutachtens beauftragten Sachverständigen A zu bejahen, weil er das zum Zwecke der Kritik angekündigte Privatgutachten als Gefälligkeitsgutachten diskreditiert hat."

Damit hat er ohne nähere Kenntnis schon jetzt etwaige Einwendungen und Gegenargumente von vornherein unbesehen abgewertet und abgelehnt, so daß im weiteren Verlauf des Verfahrens, insbesondere im Anschluss an das angekündigte Privatgutachten eine sachliche Stellungnahme von ihm aus Sicht der Parteien zumindest in Frage gestellt ist. Diese Verhaltensweise verstößt gegen die dem Sachverständigen als Richtergehilfen obliegende Verpflichtung zur Objektivität und strengen Sachlichkeit. Dazu gehört insbesondere auch, daß ein Sachverständiger auf Kritik, die ihm entgegengebracht wird, sachlich reagiert. Das setzt zumindest voraus, daß er die Kritik zur Kenntnis nimmt. Die Abwertung eines zu Überprüfungszwecken erst angekündigten Privatgutachtens als Gefälligkeitsmaßnahme steht damit nicht im Einklang.“[66]

 

Rz. 47

Allerdings muss sich ein Sachverständiger auch nicht alles gefallen lassen. Das Landgericht Traunstein hat die Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, wenn ein Sachverständiger gegenüber dem Anwalt eine Strafanzeige wegen Beleidigung angekündigt hat, nachdem er durch diesen schriftsätzlich entehrend angegriffen wurde.

Zitat

"Die dem Sachverständigen obliegende Verpflichtung zur Objektivität und strengen Sachlichkeit gebietet es, dass ein Sachverständiger auf Kritik, die ihm entgegengebracht wird, sachlich reagiert (OLG Zweibrücken NJW 1998, 912). Insoweit ist es unschädlich, dass der Sachverständige schriftsätzliche Ausführungen des Antragsgegnervertreters als “Provokationen und Beleidigungen', “haltlose Unterstellungen' und “falsche Behauptungen' und diese als “verleumderisch, berufsschädigend und ehrabschneidend' ansieht. Dem Sachverständigen bleibt es unbenommen, diesbezüglich Strafantrag wegen Beleidigung zu stellen. Ein Ablehnungsantrag lässt sich daher auch aus der Ankündigung eines solchen nicht herleiten (…). Ergreift ein Sachverständiger gegen eine Beleidigung nur das ihm nach dem Gesetz zustehende Abwehrmittel, so kann dieses nicht seine Befangenheit begründen."[67]

[66] OLG Zweibrücken Beschl. v. 16.9.1997 – 5 WF 115/96, NJW 1998, 912; vgl. auch KG Beschl. v. 6.9.2007 – 12 W 52/07, NZV 2008, 359; OLG Rostock Beschl. v. 8.4.2011 3 – W 29/11, BeckRS 2011, 29173.
[67] LG Traunstein Beschl. v. 3.6.2002 – 4 T 271/02 und 4 T 335/02, NZV 2003, 241; vgl. auch OLG Karlsruhe Beschl. v. 10.7.2013 – 12 W 32/12, r+s 2014, 155.

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