Rz. 449
Hat der Sachverständige sein Gutachten erstattet, so ist zu prüfen, ob dieses die Beweisfrage für die Partei günstig oder ungünstig beantwortet.
Rz. 450
Hinweis
Diese Aufgabe muss unmittelbar nach Eingang des Gutachtens geleistet werden, andernfalls eine Präklusion drohen kann, § 411 Abs. 4 ZPO. Soweit das Gutachten die Rechtsposition des eigenen Mandanten stärkt, kann die weitere Bearbeitung unter Beachtung der Stellungnahmefrist zunächst zurückgestellt werden. Anders verhält es sich, wenn der Sachverständige der Auffassung des Mandanten widerspricht. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass für die weitere Bearbeitung externe Fachkunde benötigt wird, muss eine unmittelbare exakte Auswertung erfolgen. Es gilt keine Zeit zu verlieren.
Rz. 451
Soweit das Ergebnis des Gutachtens für die eigene Partei ungünstig ist, ist das Gutachten auf seine fachliche Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.
Rz. 452
Der Bevollmächtigte kann hier zunächst selbst prüfen, ob das Gutachten alle zugrunde zu legenden Tatsachen, insbesondere die unstreitigen Darlegungen der Parteien sowie die von dem Gericht vorgegebenen streitigen Tatsachen berücksichtigt hat. Weiter ist zu prüfen, ob der Gutachter alle zur Verfügung stehenden Unterlagen aufgeführt und bewertet hat.[258]
Rz. 453
Entspricht das Gutachten diesen formalen Anforderungen, muss der Bevollmächtigte klären, ob er selbst oder sein Mandant in der Lage ist, Angriffe gegen die fachlichen Ausführungen des Sachverständigen vorzutragen. Diese können auch darin bestehen, die Annahmen des Sachverständigen durch neuen Vortrag oder neue Beweisangebote zu erschüttern.
Rz. 454
Tipp
In vielen Fällen ist der Mandant aufgrund seiner Befassung mit dem Streitgegenstand in der Lage, eine Schlüssigkeitsprüfung durchzuführen. Eine Literaturrecherche – etwa über das Internet – erlaubt regelmäßig die Feststellung, ob es wesentliche abweichende Auffassungen gibt, die dem Gutachter entgegengehalten werden können. Auch die Heranziehung von Fachliteratur kann geboten sein.
Rz. 455
Ist danach eine qualifizierte inhaltliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht möglich, muss erwogen werden, ob die Bedeutung des Streitgegenstandes auch in wirtschaftlicher Hinsicht es rechtfertigt, das gerichtliche Gutachten durch einen Privatgutachter überprüfen zu lassen.
Rz. 456
Tipp
Die Kosten eines solchen Privatgutachtens können unter bestimmten weiteren Voraussetzungen als Kosten des Rechtsstreites in der späteren Kostenfestsetzung geltend gemacht werden.[259] Dies hilft dem Mandanten allerdings nur dann, wenn das Privatgutachten dazu beiträgt, dass der Rechtsstreit doch noch ganz oder teilweise erfolgreich zu Ende gebracht werden kann mit der Folge, dass der Gegner auch einen Teil oder die Gesamtkosten des Verfahrens zu tragen hat. Der Mandant ist auf jeden Fall darauf hinzuweisen, dass sich sein Prozesskostenrisiko um die Kosten des Privatgutachters erhöht.
Rz. 457
Können auf die vorbezeichnete Art und Weise Einwendungen gegen das Gutachten formuliert werden, so sind diese nach § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO in angemessener Frist dem Gericht mitzuteilen.[260] Soweit die gerichtliche Frist nicht ausreicht, um die Einwendungen aufzubereiten, ist eine entsprechende Fristverlängerung unter Darlegung der Hinderungsgründe zu beantragen.
Rz. 458
Hinweis
Soweit sich aus dem Gutachten ein Ablehnungsgrund gegen den Sachverständigen ergibt, kann das Ablehnungsgesuch in der Regel in der Stellungnahmefrist angebracht werden.[261] Dies wird allerdings dann in Zweifel gezogen, wenn der Ablehnungsgrund ohne größere Schwierigkeiten schon bei einer oberflächlichen Durchsicht erkennbar war.[262]
Rz. 459
In der Stellungnahme zu den Ausführungen des Sachverständigen sind die das Gutachten betreffenden Anträge und Ergänzungsfragen zu formulieren. Regelmäßig wird das Gericht hierfür eine Stellungnahmefrist setzen, die zwingend einzuhalten ist.
Rz. 460
Das Gericht kann den Sachverständigen dann auffordern, zu den Einwendungen gegen sein Gutachten schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Das Gericht kann den Sachverständigen aber auch zum Termin zur mündlichen Verhandlung nach § 411 Abs. 3 ZPO laden und ihm die schriftliche Erläuterung seines Gutachtens aufgeben.
Rz. 461
Tipp
Einen entsprechenden Antrag[263] sollte eine Partei immer dann stellen, wenn sie einzelne Ausführungen des Sachverständigen nicht nachzuvollziehen vermag, andererseits aber eine Überprüfung des Gutachtens durch einen Privatgutachter aus welchen Gründen auch immer nicht durchführen möchte. Der Antrag erfordert, dass im Einzelnen dargelegt wird, welche Ausführungen nicht nachvollziehbar sind oder welche Widersprüche gesehen werden. Auch weiter gehende Fragen können dabei formuliert werden.
Rz. 462
Soweit die Partei die Ladung des Sachverständigen zum Termin zur mündlichen Verhandlung zur Erläuterung des Gutachtens verlangt, muss dem grundsätzlich entsprochen werden.[264] Dies gilt auch dann, wenn das Gericht selbst die schriftl...
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