Rz. 195

Ist der Zeuge der deutschen Sprache nicht mächtig, muss das Gericht nach § 185 GVG einen Dolmetscher hinzuziehen. Da dem Gericht regelmäßig nicht bekannt sein wird, ob ein Zeuge der deutschen Sprache mächtig ist, sollte der Beweisführer zur Vermeidung von zeitlichen Verzögerungen bereits mit der Benennung des Zeugen darauf hinweisen, dass dieser der deutschen Sprache nicht mächtig ist und dass ein Dolmetscher einer konkret zu bezeichnenden Sprache benötigt wird. Der Beweisführer sollte regelmäßig schon eine Aussage zur Notwendigkeit eines Dolmetschers treffen, wenn aufgrund des Namens oder der Anschrift des Zeugen formal naheliegt, dass es sich nicht um einen deutschen Staatsbürger handelt. Es steht auch der gegnerischen Partei frei, diese Frage aufzuwerfen, wenn befürchtet werden muss, dass die in der mündlichen Verhandlung auftauchende Sprachproblematik lediglich zur Verzögerung des Rechtsstreites eingesetzt wird.

 

Rz. 196

 

Tipp

In allen Fällen mit Auslandsberührung sollte dieser Frage die hinreichende Aufmerksamkeit geschenkt werden. Muss ein Termin zur Beweisaufnahme vertagt werden, weil ein Zeuge der deutschen Sprache nicht mächtig ist und ein Dolmetscher kurzfristig nicht beigezogen werden kann, so entstehen zusätzliche Kosten durch die notwendige erneute Ladung, ohne dass der Bevollmächtigte selbst weitere Gebühren erhält. Dies ist umso schmerzlicher, je weiter die Anreise des Bevollmächtigten war.

 

Rz. 197

Das Gebot, zur Vernehmung eines der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Zeugen einen Dolmetscher hinzuzuziehen, richtet sich an das Gericht, das darüber von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Von daher darf die Vernehmung eines durch das Gericht geladenen und erschienenen Zeugen, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Beweisführer habe es versäumt, auf die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers hinzuweisen.[99] Den Antrag einer Partei, zur Vernehmung eines Zeugen einen Dolmetscher hinzuzuziehen, darf das Gericht auch nicht übergehen, wenn es die Aussage für unerheblich hält, weil dies auf unzureichenden Sprachkenntnissen des Zeugen beruhen kann.[100]

 

Rz. 198

 

Hinweis

Der Dolmetscher muss bei der Vernehmung des Zeugen vereidigt sein. Die Vereidigung kann in der Weise geschehen, dass sich der Dolmetscher gem. § 189 Abs. 2 GVG auf seinen bereits allgemein geleisteten Eid beruft. Fehlt es hieran, muss er durch das Gericht vor der Vernehmung vereidigt werden, § 189 Abs. 1 GVG. Der Bevollmächtigte muss selbst hierauf achten, da die fehlende Vereidigung des Dolmetschers einen unheilbaren Verfahrensverstoß darstellt und eine erneute Vernehmung des Zeugen in der Berufungsinstanz erforderlich macht.[101] Die fehlende Vereidigung des Dolmetschers stellt insoweit einen Rechtsanwendungsfehler als Berufungsgrund i.S.v. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO dar.

 

Rz. 199

Es stellt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 GKG dar, wenn das Gericht einen Dolmetscher zuzieht, ohne vorher geprüft zu haben, ob die Voraussetzungen dazu nach § 185 GVG überhaupt vorliegen,[102] anders wenn sich dies aus einer Nachfrage oder nach Aktenlage ergibt.[103] Das Gericht muss daher mit der Ladung den Zeugen nochmals ausdrücklich auffordern, mitzuteilen, ob er einen Dolmetscher benötigt. Erscheint der Dolmetscher unentschuldigt nicht, bleibt dies für ihn ohne Konsequenzen. § 185 GVG sieht die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht vor, § 409 ZPO ist nicht analog anwendbar.[104]

[99] OLG Hamm MDR 2000, 657 = OLGR 2001, 266.
[100] OLG Düsseldorf OLGR 2006, 330 = MDR 2006, 532.
[101] BGH NJW 1987, 260; 1994, 941; OLG Celle StraFo 2016, 255–256.
[102] OLG Köln, Beschl. v. 9.12.1983 – 17 W 514/83.
[103] OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 162; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1694 f.; OLG Nürnberg, JurBüro 1989, 1692.
[104] OLG Frankfurt OLGR 2009, 74.

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