Rz. 623

Die Parteivernehmung ist ein subsidiäres Beweismittel der ZPO, soweit andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen. Die Parteivernehmung wird deshalb auch als Hilfsbeweismittel bezeichnet. Die maßgeblichen Regelungen finden sich in §§ 445455 ZPO.

 

Rz. 624

Für den Bevollmächtigen der Partei, dem keine Beweismittel in Form von Zeugen, Urkunden, Augenschein oder des Sachverständigenbeweises zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, inwieweit durch eine förmliche Vernehmung der gegnerischen oder der eigenen Partei der erforderliche Beweis geführt werden kann. Die Praxis zeigt, dass dies nur selten gelingt, obwohl die Parteivernehmung ein vollwertiges Beweismittel darstellt, welches auch in ihrem Beweiswert keinem anderen Beweismittel nachsteht. Für den Beweisgegner geht es regelmäßig um die Frage, wie die Voraussetzungen der Parteivernehmung in Zweifel gezogen werden können, sodass der Beweis gerade nicht geführt werden kann. Die beweisverpflichtete Partei verliert den Prozess dann allein aus dem Grunde, dass sie beweisfällig geblieben ist.

 

Rz. 625

 

Hinweis

Im Hinblick darauf, dass die Parteien ein unmittelbares wirtschaftliches und persönliches Interesse am Prozessausgang haben, stellt sich die Parteivernehmung ungeachtet der rechtlichen Ausgestaltung als problematisches Beweismittel dar. Insoweit üben die Gerichte hier häufig Zurückhaltung. Schon in der anwaltlichen Beratung sollte deshalb darauf hingewiesen werden, dass möglichst alle relevanten Vorgänge in Urkunden fixiert werden und der erforderliche Nachweis des Zugangs von Erklärungen dadurch sichergestellt wird, dass von den Möglichkeiten der Zustellung im Parteibetrieb[379] Gebrauch gemacht wird.

Gleichwohl darf die Möglichkeit der Parteivernehmung nicht gänzlich abgeschnitten werden, wenn diese Möglichkeit der Parteien, anderweitige Beweismittel zu erlangen, von vornherein nicht gegeben war. Dies gilt insbesondere für den gesamten Bereich der unerlaubten Handlung.

 

Rz. 626

 

Tipp

Sind Abreden nur fernmündlich getroffen worden, sollte der Partei immer angeraten werden, diese schriftlich zu bestätigen und dabei darum zu bitten, dass die richtige Wiedergabe der Abreden von der anderen Partei bestätigt wird.

 

Rz. 627

Stehen keine anderen Beweismittel zur Verfügung, muss der Bevollmächtigte zunächst intensiv die Frage der Beweislastverteilung prüfen und sodann den Mandanten ausdrücklich auf die Risiken eines Prozesses hinweisen.

 

Rz. 628

Keine förmliche Beweisaufnahme, jedoch in gleichem Zusammenhang zu sehen, ist die Möglichkeit des Gerichts, nach § 141 ZPO in jeder Lage des Verfahrens das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen und diese zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes anzuhören.

 

Rz. 629

Insoweit sind vier unterschiedliche Konstellationen zu betrachten:

[379] Vgl. insoweit § 10 Rdn 1 ff.

a) Die Vernehmung des Beweisgegners auf Antrag nach § 445 ZPO

 

Rz. 630

Stehen der beweisbelasteten Partei keine Beweismittel zur Verfügung, um die entscheidungserheblichen und bestrittenen Tatsachen nachzuweisen, kann nach § 445 ZPO der Antrag[380] gestellt werden, den Beweisgegner zu vernehmen.

 

Rz. 631

Voraussetzung ist, dass der erforderliche Beweis von der beweisbelasteten Partei mit anderen Beweismitteln nicht[381] oder nicht vollständig geführt werden konnte. Auch darf das Gericht nach § 445 Abs. 2 ZPO noch nicht vom Gegenteil der zu beweisenden Tatsache überzeugt sein.

 

Rz. 632

Bevor ein solcher Antrag gestellt wird, sind verschiedene Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen:

Mit dem Antrag auf Vernehmung des Gegners als Partei werden dessen Darlegungen in den Rang eines Beweismittels erhoben, sodass die Gefahr besteht, nicht nur den eigenen Vortrag nicht nachweisen zu können, sondern sogar den Beweis für die gegnerischen Darlegungen zu erbringen.
Je nach der Persönlichkeit des Prozessgegners kann allerdings die Möglichkeit bestehen, dass dieser unter dem Eindruck der unmittelbaren gerichtlichen Vernehmung, d.h. soweit er nicht durch die Übermittlung von Prozessinhalten und die Beratung seines Bevollmächtigten geschützt ist, und vor dem Hintergrund einer möglichen Vereidigung seinen Vortrag "modifiziert" oder gar gänzlich ändert.
 

Rz. 633

 

Tipp

Diese Möglichkeit ist insbesondere dann wahrscheinlich, wenn sich dem Vortrag des Gegners entnehmen lässt, dass dieser bereits sehr juristisch geprägt ist.

 

Rz. 634

Die Parteivernehmung des Beweisgegners nach § 445 Abs. 1 ZPO kommt auch dann in Betracht, wenn der Beweisführer den ihm obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt hat, d.h. zwar aus Sicht des erkennenden Prozessgerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der beweispflichtigen Tatsache spricht, aber diese Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht, den Beweis tatsächlich zu führen.

 

Rz. 635

Die Parteivernehmung kommt insoweit mithin nur als "Ultima ratio" am Ende der sonst erschöpften Beweisaufnahme in Betracht.

 

Rz. 636

Wird die Parteivernehmung des Gegners durch das Gericht angeordnet und trägt der Beweisführer im Anschluss daran noch andere Beweismittel vor, so ist die Parteive...

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