Rz. 23

Kommt eine Partei ihrer Beweisverpflichtung nicht nach, so trägt sie damit das Risiko, den Prozess allein deswegen zu verlieren, weil sie eine ihren Sachantrag tragende Tatsachenbehauptung nicht beweisen kann.[6]

 

Rz. 24

Die Frage der Beweislastverteilung ist deshalb mit dem Mandanten zwingend schon in Vorbereitung des Klagebegehrens bzw. der Rechtsverteidigung zu besprechen und zu erörtern.

 

Rz. 25

Die schwierigste Aufgabe dürfte für den Rechtsanwalt darin bestehen, dass er dem Mandanten die Distanz zu seiner eigenen Sachverhaltsdarstellung vermitteln muss. Der Mandant muss verstehen, dass es für den Erfolg des Klagebegehrens oder der Rechtsverteidigung nicht ausreichend ist, dass er von seiner Sachverhaltsdarstellung ausgeht und überzeugt ist. Vielmehr muss der Mandant ebenso wie der Bevollmächtigte in seine Überlegungen einbeziehen, dass der Prozessgegner die eigene Sachverhaltsdarstellung bestreitet und damit die Notwendigkeit besteht, die Sachverhaltsdarstellung auch zur Überzeugung des letztlich neutralen Gerichts beweisen zu müssen.

 

Rz. 26

 

Hinweis

Der Rechtsanwalt muss also zunächst prüfen, ob der von dem Mandanten mitgeteilte Sachverhalt das Klagebegehren oder die Rechtsverteidigung trägt, d.h. ausgehend von diesem Sachverhalt die konkreten, den Anspruch begründenden Voraussetzungen der Norm gegeben sind. Auf der Passivseite ist in gleicher Weise zu überprüfen, ob der von dem Mandanten mitgeteilte Sachverhalt die rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Einwendungen und Einreden trägt.

Auf der zweiten Stufe hat er dann zu überprüfen, welche Tatsachen gegebenenfalls von dem jeweiligen Gegner bestritten werden könnten. Hierbei kann er insbesondere auf die im außergerichtlichen Rechtsverkehr erhobenen Einwendungen abstellen. Er muss allerdings auch den Mandanten befragen, ob mit weiteren Einwendungen zu rechnen ist.

 

Rz. 27

 

Tipp

Der Rechtsanwalt sollte dabei immer von einem ganz destruktiven Gegner ausgehen, der alle erheblichen und für den Mandanten günstigen Tatsachen im Rahmen des prozessual Zulässigen bestreitet. Dies bewahrt davor, im späteren Prozess überrascht zu werden. Auch mindert es die Erwartungen der Partei und verhindert so einen überzogenen Erfolgsdruck für den Mandanten. Zeigt sich später dann eine erfolgreiche Prozessführung, ist der Mandant umso zufriedener.

 

Rz. 28

Auf der dritten Stufe ist dann zu fragen, ob für den Fall des Bestreitens hinreichende Beweismittel zur Verfügung stehen und um welche Beweismittel es sich handelt.

 

Rz. 29

In der Praxis lässt sich regelmäßig feststellen, dass die Parteien und auch mancher Bevollmächtigter der Auffassung ist, dass damit alle Voraussetzungen einer erfolgreichen Prozessführung gegeben zu sein scheinen. Dies ist jedoch unrichtig.

 

Rz. 30

Auf der letzten Stufe muss mit dem Mandanten dann in aller Ernsthaftigkeit besprochen werden, wo die Stärken und Schwächen der Beweismittel liegen. Dabei ist insbesondere bei Zeugen auf die Aspekte der Glaubwürdigkeit – aus den Augen des Gerichts betrachtet – Wert zu legen. Der Bevollmächtigte hat also mit dem Mandanten zu klären, ob die von diesem angegebenen Beweismittel auch "werthaltig" sind.

 

Rz. 31

So zeigt die Praxis der Beweisaufnahmen, dass benannte Zeugen sich in der Beweisaufnahme nur als Zeugen vom Hörensagen herausstellen. Auch lässt sich immer wieder feststellen, dass ein Teil der Zeugen überhaupt nichts zum eigentlichen Tatsachengeschehen bekunden kann, während andere Zeugen genau das Gegenteil der Ausführungen des eigenen Mandanten bekunden. Insbesondere ist hier der Unterschied zwischen eigenen Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen aus den Wahrnehmungen herauszuarbeiten.

 

Rz. 32

Letztlich zeigt die Erfahrung in einer Vielzahl von Beweisaufnahmen, dass die Zeugen Sachverhalte bekunden, die sich in der weiteren Beweisaufnahme als nicht haltbar herausstellen, weil sie mit technischen Abläufen nicht zu vereinbaren sind. Der Zeuge wird deshalb in Literatur und Rechtsprechung zu Recht als das schwächste, wenn auch häufigste Beweismittel bezeichnet.

 

Rz. 33

 

Tipp

Der Rechtsanwalt sollte den beweisbelastenden Mandanten schon aus Gründen der Verminderung eigener Haftungsrisiken ausdrücklich auf das Risiko einer möglicherweise notwendigen Beweisaufnahme hinweisen. Dabei sollten die Angaben des Mandanten zu möglichen Beweismitteln und deren Werthaltigkeit festgehalten werden. Der Mandant sollte auch aufgefordert werden, weitere Beweismittel und alle Aspekte, die für die Beweiskraft der eigenen Beweismittel sprechen, unverzüglich mitzuteilen.

 

Rz. 34

 

Tipp

Soweit der Zeuge zu Vorgängen gehört werden soll, die einer späteren technischen Begutachtung unterliegen, sollte je nach Bedeutung der Sache auch erwogen werden, die potentielle Aussage des Zeugen einer Plausibilitätskontrolle durch einen Privatgutachter zu unterziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Prozessgegner bereits außergerichtlich eingewandt hat, dass der von dem Zeugen geschilderte Sachverhalt schon technisch nicht möglich sei. Das Pri...

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