Rz. 7

Vor der Frage nach der Beweislast steht zunächst die Frage nach der Darlegungslast, d.h. die Frage danach, wer die jeweiligen, den Anspruch begründenden Tatsachen vorzutragen hat. Im Anschluss daran ist zu klären, welche entscheidungserheblichen Tatsachen streitig sind, bevor sich die Problematik stellt, wer das Vorliegen der streitigen Tatsache zu beweisen hat. Daran knüpft dann die Rechtsfolge an, zu wessen Lasten es geht, wenn das Vorliegen der Tatsache nicht bewiesen werden kann.

 

Rz. 8

 

Hinweis

Welche Tatsachen entscheidungserheblich sind, ergibt sich zunächst aus der materiellen Anspruchsgrundlage, muss aber von dem Bevollmächtigten i.d.R. selbst festgestellt und bei dem Mandanten ermittelt werden. Eine Ermittlung der tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen von Amts wegen findet nicht statt. Dem Richter kommt allenfalls nach § 139 ZPO die Verpflichtung zu, auf unzureichenden Vortrag hinzuweisen.

 

Rz. 9

 

Tipp

Auch wenn eine Ermittlung der tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen oder auch der Voraussetzungen einer rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Norm von Amts wegen grundsätzlich nicht stattfindet, hilft die gerichtliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO den Parteien auf dem Weg zu einem schlüssigen bzw. erheblichen Vortrag. Das Gericht hat nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO darauf hinzuwirken, dass sich die Parteien rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben ergänzen, Beweismittel bezeichnen und sachdienliche Anträge stellen. Nach § 139 Abs. 2 ZPO soll das Gericht auch auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte hinweisen, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Um entsprechende Hinweise sollte der Rechtsanwalt grundsätzlich bitten, schon um sich für eine mögliche Berufungsinstanz den Einwand vorzubehalten, das Gericht habe gegen § 139 ZPO verstoßen (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) und aus diesem Grunde auch den Sachverhalt unrichtig oder unvollständig festgestellt (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). Dies gilt allerdings nicht für Nebenforderungen.

 

Rz. 10

Für die Darlegungslast gilt der Grundsatz, dass der Kläger als Anspruchsteller die den Anspruch begründenden Tatsachen und der Beklagte als Anspruchsgegner die rechtshemmenden, rechtsvernichtenden und rechtshindernden Tatsachen vorzutragen hat.

 

Rz. 11

Im Kern hat also jeweils die Partei die Darlegungslast, die hieraus einen für sie günstigen Vorteil zu begründen vermag. Welche Tatsachen hier notwendigerweise vorzutragen sind, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Die Tiefe des Vortrages bestimmt sich dann nach den Einwendungen des Beklagten.

 

Rz. 12

 

Beispiel

Um einen Anspruch aus Pflichtverletzung eines Werkvertrages herzuleiten, reicht es zunächst aus, wenn der Kläger behauptet, zwischen den Parteien sei ein Werkvertrag geschlossen worden, und sich dann weiter mit der Pflichtverletzung auseinandersetzt.

Bestreitet dann der Beklagte, dass ein Werkvertrag zustande gekommen ist, so ist es nun an dem Kläger darzulegen, wann und wo der Vertrag zwischen wem und mit welchem Inhalt geschlossen worden sein soll. In diesem Fall spricht man auch von der Substantiierungslast.[3]

 

Rz. 13

Die Grundregel der Darlegungs- und Substantiierungslast variiert nach den Erfordernissen des materiellen Rechtes[4] und unter Berücksichtigung des Umstandes, in welcher Sphäre sich ein tatsächlicher Lebenssachverhalt abgespielt hat. Eine Darstellung dieser Thematik würde den Rahmen der vorliegenden Abhandlung sprengen. Insoweit muss auf die Spezialliteratur verweisen werden. Allein in der Rechtsprechung sind hierzu mehrere hundert veröffentlichte Entscheidungen in den letzten Jahren verzeichnet, was belegt, dass an dieser Frage häufig der Erfolg oder Misserfolg der anwaltlichen Bemühungen entschieden wird.

[3] Hierzu Meyke/Saueressig, Darlegen und Beweisen im Zivilprozess, Rn 108 ff.; Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Zivilprozess, 3. Aufl. 2011, Rn 7.
[4] S. hierzu die Fallgruppenbildung bei Meyke/Saueressig, Darlegen und Beweisen im Zivilprozess, Rn 74 ff.

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