Rz. 84

Die Vorbereitung und Umsetzung der Vermögensnachfolge im Bereich der Unternehmensnachfolge stellt für viele Unternehmer eine besondere Herausforderung dar. Gerade im unternehmerischen Bereich treffen eine Vielzahl, zum Teil auch gegenläufige Interessen des Unternehmers, seiner Familie und des Unternehmens als solchem aufeinander: Der Unternehmer und Unternehmensinhaber wird vor allem an dem Erhalt und an der Fortführung des Unternehmens interessiert sein. Die Unternehmensnachfolge kann in der Regel aber nicht auf einen größeren Angehörigenkreis übertragen werden, sodass sich regelmäßig die Frage nach einem finanziellen Ausgleich für weichende Familienmitglieder stellt, die in der Unternehmensnachfolge nicht berücksichtigt werden können. Etwaige Ausgleichungsforderungen können wiederum zu einem für das Unternehmen schädlichen Liquiditätsabfluss führen. Lebzeitigen vertraglichen Regelungen zum Schutz des Unternehmens werden nicht zuletzt durch das Pflichtteilsrecht Grenzen gesetzt. Die Übertragung eines Unternehmens bzw. von Unternehmensanteilen kann vor diesem Hintergrund ein Weg sein, den unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten Rechnung zu tragen.

1. Unternehmensverbundene Stiftung

 

Rz. 85

Die "unternehmensverbundene Stiftung" bildet keinen eigenständigen Stiftungstypus. Die Bezeichnung gibt lediglich zu verstehen, dass es sich um eine Stiftung handelt, zu deren Vermögen ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung gehört.[155] Die in der Literatur verwendete Terminologie ist dabei nicht einheitlich,[156] sodass man neben dem Begriff der "unternehmensverbundenen Stiftung" auch die Bezeichnung "Unternehmensstiftungen", "Unternehmensträgerstiftungen" oder "gewerbliche, unternehmensbezogene" Stiftungen antrifft, wobei den jeweils verwendeten Begriffen keine rechtliche Bedeutung zukommt.[157]

[155] BeckOK-BGB/Backert, vor §§ 80 Rn 17; MüKo/Weitemeyer, § 80 Rn 198; Palandt/Ellenberger, § 80 Rn 9; ausführlich Muscheler, ErbR 2008, 134 ff.
[156] Vgl. Ihle, RNotZ 2009, 557, 562.
[157] BeckOK-BGB/Backert, vor §§ 80 Rn 17.

2. Tauglichkeit der Stiftung als Unternehmensinhaberin

 

Rz. 86

Wenn ein Unternehmen in eine Stiftung überführt werden soll, bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an, wie das Unternehmen übertragen wird:

a) Übertragung im Wege eines "asset deals", mit der Folge, dass das Unternehmen unter der Rechtsform der Stiftung als "Stiftungsunternehmen" fortgeführt wird, oder
b) die Übertragung im Wege eines "share deals", mit der Folge, dass die Stiftung Anteilseignerin wird, das Unternehmen aber in seiner ursprünglichen Rechtsform fortgeführt wird.

a) Stiftung als Unternehmensträger

 

Rz. 87

Die rechtsfähige Stiftung hat sich in der Praxis nicht als Rechtsform für das Betreiben von Unternehmen durchgesetzt.[158] Als bekanntestes Beispiel eines Unternehmens, das zunächst in der Rechtsform der Stiftung betrieben wurde, wird regelmäßig die im Jahre 1889 von dem bekannten Physiker Ernst Abbe errichtete Carl-Zeiss-Stiftung in Jena genannt.[159] Seit 1891 war die Carl-Zeiss-Stiftung Alleininhaberin der Firma Carl Zeiss und seit 1919 der Firma Jenaer Glaswerk Schott & Gen. Bis zu einer Stiftungsreform im Jahre 2004 waren die beiden Stiftungsunternehmen Carl Zeiss und Schott rechtlich unselbstständige Teile der Stiftung. Im Zuge einer Stiftungsreform im Jahre 2004 wurden die Stiftungsunternehmen aus der Stiftung ausgegliedert und in die Rechtsform von Aktiengesellschaften überführt. Mit dieser Umstrukturierung war auch die Zeit der Carl-Zeiss-Stiftung als originäre Unternehmensträgerstiftung vorüber. Als alleinige Aktionärin der SCHOTT AG und der Carl Zeiss AG ist sie heute eine reine Beteiligungsträgerstiftung, deren Vermögen aus den Unternehmensanteilen der genannten Aktiengesellschaften besteht.[160]

 

Rz. 88

Die rechtstatsächliche Bedeutung der Unternehmensträger-Stiftung wird man als eher gering einstufen können: Genaue Zahlen dazu, wie viele Unternehmen derzeit unter der Rechtsform Stiftung betrieben werden, sind nicht zu finden.[161] Angesichts der starren Ausgestaltung der Rechtsform, die insbesondere Änderungen der Organisation und des Zwecks nur schwer zugänglich ist, wird man der Stiftung letztlich die im unternehmerischen Bereich erforderliche Flexibilität absprechen müssen, um ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich betreiben zu können.[162] Ein weiterer Nachteil von Unternehmensträgerstiftungen ist ihre eingeschränkte Möglichkeit, Eigenkapital zu beschaffen. Da die Stiftung keine Mitglieder bzw. Gesellschafter hat, kann sie – im Gegensatz zu Personen- und Kapitalgesellschaften – auch kein neues Eigenkapital von etwaigen Gesellschaftern beschaffen.[163] Der Weg über den öffentliche Kapitalmarkt und der Gang an die Börse ist ihr ebenfalls versperrt. Eine Stiftung ist daher zur Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis stets auf Zuwendungen von außen (bei Familienstiftungen also regelmäßig auf Zuwendungen des Stifters) oder die Bildung von Rücklagen angewiesen. Die Selbstfinanzierung durch Rücklagenbildung ist allerdings auch nur in begrenzten Umfang möglich, da auch für privatnützige Stiftungen das im Stiftungsrecht geltende ...

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